„Mio caro Pederzolli …“ Ein Schriftsteller und Politiker aus dem Trentino zur Zeit der italienischen Einigung
Die Historegio-Quelle-des-Monats stellt ein Schreiben Giuseppe Garibaldis an den Trentiner Ippolito Pederzolli aus dem Jahr 1871 dar.
Garibaldi, einer der bedeutendsten Protagonisten der italienischen Einigungsbewegung (Risorgimento), stand mit Pederzolli in regelmäßigem brieflichen Kontakt. Das hier präsentierte Schriftstück wurde wie viele Briefe Garibaldis gezielt in nationalistisch gesinnten italienischen Periodika wie der in Florenz und Rom erschienenen Tageszeitung La Riforma veröffentlicht. Damit wurde eine breitere Öffentlichkeit mit der Idee der Angliederung der nach 1871 noch unter fremder Herrschaft verbliebenen italienischsprachigen Gebiete an das neue Königreich Italien erreicht.
Ippolito Pederzolli wurde am 13. August 1839 in Riva del Garda geboren. Nach seinen Schulbesuchen in Rovereto und Trient ging er 1859 ins Exil, weil er nach eigenen Angaben im Krieg Österreichs gegen Sardinien-Piemont und Frankreich nicht für Österreich, also „für eine fremde Macht dienen wollte“ („servire la dominazione straniera“). Er studierte ab 1861 in Pavia Jurisprudenz. Nach seiner Flucht nach Lugano unterrichtete er dort am Collegio Landriani Naturwissenschaften und Deutsch. Neben seiner regelmäßigen Korrespondenz mit Garibaldi stand Pederzolli in Kontakt mit weiteren Größen des italienischen Risorgimento wie Giuseppe Mazzini und Carlo Cattaneo. Mariano Langevicz, der 1863 während des Jänneraufstandes im russisch besetzten Ostpolen dort für kurze Zeit Diktator wurde, zählte ebenfalls zu seinen engen Bekannten. Pederzolli schwankte im Laufe seines Lebens zwischen nationalistischen, republikanischen, antiklerikalen und sozialistischen Ideen. Er ging im Laufe seines Lebens mehrmals ins Exil bzw. wurde ausgewiesen, zuletzt 1887 aus der Schweiz für seine Mitarbeit an einer irredentistischen Zeitung.
„Mein lieber Pederzolli,
es scheint, dass das Schicksal wirklich die Erfüllung unserer nationalen Einheit angeordnet hat, trotz der Untauglichkeit derer, die uns regieren, und trotz der Fehler von uns allen.
Ich zweifle deshalb nicht, dass auch unsere starken Trentiner Bergbewohner („alpigiani“) bald vom fremden Joch befreit und wieder in die große italienische Familie integriert werden. […]
Grüßen Sie unsere Brüder im Trentino herzlich und halten Sie mich immer für den Ihrigen / für Ihren aufrichtigen Freund
Caprera, 22. Juli
G. Garibaldi“
In dem Brief an Pederzolli, veröffentlicht am 2. August 1871 in der Tageszeitung La Riforma, blickt Garibaldi auf die Ereignisse der letzten Monate und Jahre zurück. Er erkennt in der erfolgreichen italienischen Einigung eine schicksalshafte Entwicklung, die trotz der eigenen Fehler und jener der Obrigkeit ihren vorgegebenen Lauf nahm. Er spricht im Brief auch seine Überzeugung aus, dass auch die verbliebenen italienischsprachigen Gebiete, hier das Trentino, bald vom Joch der „Fremdherrschaft“ befreit werden. Eine Rückkehr in den Schoß der „großen italienischen Familie“ sei nur eine Frage der Zeit. Die Worte Garibaldis wirken wehmütig und ehrfürchtig zugleich.
Nachdem es Garibaldi selbst 1867 verwehrt geblieben war, Rom mit seinen Freischaren für das italienische Königreich einzunehmen, gelang dies schließlich 1870 den Truppen unter der Führung Generals Raffaele Cadorna. Nach dem Abschluss der italienischen Einigung und der Anerkennung Roms als neue Hauptstadt Italiens am 1. Juli 1871 sah sich Garibaldi nun dazu veranlasst, die italienische Einigung als noch nicht abgeschlossen darzustellen. Der hier vorgestellte, ein Monat später veröffentlichte Brief an Pederzolli diente ihm dazu, dieses Programm auch einer breiteren italienischen Öffentlichkeit zu vermitteln. Er versuchte die Bewohnerinnen und Bewohner Italiens für den weiteren Kampf um die „unerlösten Gebiete“ (terre irredente), wie sie bald genannt wurden, zu gewinnen.
Obwohl Pederzolli 1871 bereits seit einigen Jahren in Lugano in der Schweiz im Exil war, stand er scheinbar noch in sehr engem Kontakt mit seiner Heimat. Auch das geht aus dieser Quelle hervor, wenn Garibaldi ihm aufträgt, die „gemeinsamen Brüder im Trentino“ herzlich zu grüßen. Ob er etwa mit den Mesianisti (benannt nach ihrem Treffpunkt - Mesiano in Trient), italienischen Nationalisten jener Zeit in Trient, in Verbindung stand, werden vielleicht weitere Forschungen offenbaren.
Weiterführende Literatur:
Maurizio Binaghi, Art. Ippolito Pederzolli, in: Dizionario storico della Svizzera (https://hls-dhs-dss.ch/it/articles/048400/2009-12-03/).
Carmelo Calci, Garibaldi e i suoi tempi. Immagini dei protagonisti, Roma 2008.
Friederike Hausmann: Garibaldi. Die Geschichte eines Abenteurers, der Italien zur Freiheit verhalf. Wagenbach-Verlag, Berlin 1999.
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Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
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