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Ausschnitt des Lageplans vom Bahnhof Calliano ©Österreichisches Staatsarchiv

Das integrierte Transportsystem des Ersten Weltkriegs

Die Quelle des Monats Apil stammt aus dem Kriegsarchiv in Wien und ist ein Ausschnitt des Lageplans vom Bahnhof Calliano, einer Ortschaft, die zwischen Trient und Rovereto an der Brennerbahn liegt. Der Lageplan, in dem der Ausgangspunkt einer Drahtseilbahn deutlich sichtbar ist, ist ein Beispiel für die intermodale Verbindung zwischen Bahn und Seilbahn und veranschaulicht die Entstehung eines integrierten Verkehrsnetzes während des Ersten Weltkriegs.

„Es ist keine schlechte Beschreibung des Krieges, zu sagen, dass er darin besteht, schwere Dinge von einem Ort zum anderen zu tragen und dass der Sieg davon abhängt, ob man dabei rascher und effizienter ist als der Feind. Die schweren Dinge können Soldaten, Gewehre, Pökelfleisch, Haubitzen, Patronen, Krankenhausbedarf, Granaten oder eine Reihe anderer unverzichtbarer Dinge sein. Das ist der Grund weshalb der erste Aspekt des Krieges von dem man beindruckt ist, das Transportwesen ist“. Diese Passage, die einem Text von 1917 entnommen ist, beschreibt die Herausforderung, vor der die österreichisch-ungarische Armee an der Alpenfront stand, wo unzugängliches Gelände und extremes Klima die Truppenversorgung zusätzlich erschwerten. Es sei darauf hingewiesen, dass das Habsburgerreich, was den Transport am Talboden betraf, eine eindeutig vorteilhafte Position gegenüber  dem Feind einnahm, da der Vergleich zwischen dem italienischen und dem österreichischen Eisenbahnnetz entlang der Frontlinie entschieden zugunsten des letzteren ausfiel.

Der Ausbruch des Krieges hatte die österreichischen Behörden nicht unvorbereitet getroffen. Bereits Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurden verschiedene Abwehrmaßnahmen entlang der italienischen Grenze ergriffen. Diese betrafen in erster Linie den Bau einer Reihe von Befestigungsanlagen auf den Hochebenen um Asiago. Auch die 1896 eingeweihte Valsugana Bahn entsprach sowohl kommerziellen als auch militärischen Anforderungen. In der Zeit zwischen der Eröffnung der Bahn und dem Beginn des Krieges wurden die Verbindungen mit dem Hochland durch den Bau neuer Straßen, dem Ausbau schon bestehender Straßen und der Realisierung eines Telefonnetzes verbessert. Um die Erbauung der Festungen Luserna und Verle zu erleichtern, wurde 1909 auch eine Seilbahn für den Transport von schwerem Material zwischen Caldonazzo und Monterover in Betrieb genommen. Nach einigen Jahren erklärte sich die Baufirma bereit, die Bahn dem Geniekommando von Trient zu übergeben, das sie als ideales Transportmittel für Truppen und Munition vorgesehen hatte.

Nach dem Ausbruch des Konflikts nahm der Bau von Seilbahnen angesichts ihres strategischen Nutzens rasch zu. Die schwere Seilbahn von Caldonazzo wurde durch weitere Anlagen ergänzt, darunter die Mattarello-Vezzena Bahn und die Calliano-Folgaria Strecke, die das Etschtal mit den Hochebenen verbanden. Die Bahnhöfe dieser drei Dörfer wurden umgebaut, um Platz für die Seilbahnstationen zu schaffen und so einen schnellen Transfer von Truppen und Material von einem Transportmittel zum anderen zu ermöglichen. Diese "schweren" Bahnen wurden dann durch Feldseilbahnen ergänzt, die bis zum Etappengebiet reichten, und von "leichten" Bahnen, die bis zu den Schützengräben führten. Die Menge des Materials, das auf diese Weise an die Front gelangen konnte, wuchs mit dem Ausbau des Seilbahnnetzes. Gab es zu Beginn des Konflikts im Trentino 27 Seilbahnen, so waren Ende 1917 in der Region (Lagorai und Dolomiten ausgenommen) 327 in Betrieb.

Die Verbindung zwischen Bahn und Seilbahn wurde in mehreren anderen Bahnhöfen im Trentino umgesetzt. In Trient selbst, von wo aus eine Seilbahn das Sarca-Tal in den Judikarien erreichte, in Riosecco, in der Nähe von Calliano, von wo aus eine zweite Seilbahn nach Folgaria abfuhr, in Volano, ebenfalls an der Brennerbahn, das mit Piazza di Terragnolo verbunden war, und schließlich auch in Grigno, im Sugana Tal, dem Ausgangspunkt für den Monte Aveati. Die italienische Armee verfügte in der Nähe der Front nicht über Eisenbahnlinien für solche Verbindungen; sie baute jedoch viele neue Straßen und setze während des Konflikts ebenfalls massiv Seilbahnen ein.

 

Weiterführende Literatur:

F. Frizzera, “Rifornire un esercito. Il sistema dei trasporti militari nel Tirolo meridionale dal 1848 alla Grande Guerra, in: G. Corni (a cura di), Preparare la guerra. Logistica e militarizzazione del territorio in Alta Valsugana, (Trento: Curcu Genovese, 2018), pp. 77-93.

L. Longhi/ A. Zandonati, Teleferiche dell’11° armata austro-ungarica. Dall’Adige al Brenta 1915-1918, (Rovereto: Museo storico italiano della guerra, 2013).

Das Zitat über Transporte stammt von: T.M. Kettle, The Ways of War, (London: Constable & Company, 1917).

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Alice Riegler

Historegio- Projekt: “Technologietransformationen und ihre Folgen im Alpenraum im 19. Und 20. Jahrhundert”

Fachbereich Wirtschaftswissenschaften – Universität Trient

Kontakt: alice.riegler@unitn.it

 

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