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Emanuele Lanzerotti
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Die große Wasserkraft des Trentino

„Das Trentino ist ein reiches Land. Sein italienischer Charakter ist sein größter Reichtum. Aber es ist auch reich an Naturschönheiten, Bodenschätzen und Wasserkraft“, so schrieb Emanuele Lanzerotti 1915. Der Ingenieur wollte den Neutralisten, die das Trentino „entwerteten“, widersprechen und gleichzeitig die Idee verbreiten, dass die italienische Wirtschaft hinsichtlich des ungenutzten Wasserkraftpotenzials der Region, von ihrer Annexion stark profitieren würde.

An Lanzerotti erinnert man sich heute vor allem wegen seiner grundlegenden Rolle bei der Entwicklung des Trentiner Genossenschaftswesens und deren „konfessionellen“ Wende. Er war Gründer des Sindacato Agricolo Industriale Trentino und Verfechter der ersten Elektrizitätsgenossenschaften. Als führender Vertreter der katholischen Bewegung zog er 1907 ins Wiener Parlament ein. Im selben Jahr gründete er die Banca Industriale und die Unione Trentina per Imprese elettriche. Letztere fasste zahlreiche Elektrokonsortien mit dem Ziel zusammen, die Investition von italienischem Kapital in der regionalen Elektroindustrie zu fördern. In derselben Zeit war er auch der Förderer und Projektant der (elektrischen) Nonsbergbahn, Dermulo-Fondo-Mendola. Während des Ersten Weltkrieges flüchtete er aufgrund seines, in katholischen Kreisen sehr ungewöhnlichen, Irredentismus in das Königreich Italien, was ihm als ehemaligem Abgeordneten ein Todesurteil in Abwesenheit einbrachte. Nach dem Ende des Konflikts ließ er sich dauerhaft in der Lombardei nieder, wo er weiterhin an Wasserkraftprojekten arbeitete.

Die Broschüre Lanzerottis mit dem Titel „Die große Wasserkraft des Trentino“ [Le grandi forze idrauliche del Trentino] richtete sich an diejenigen, die meinten, es lohne sich nicht für den Anschluss „ein paar kahler Berge“ an das Königreich Italien zu kämpfen. Der Ingenieur wollte seinen Lesern zeigen, dass das Trentino keineswegs ein unfruchtbares Land war, sondern im Gegenteil, sich zahlreicher natürlicher und kultureller Reichtümer rühmen konnte und eine bemerkenswerte technische und wirtschaftliche Entwicklung hervorgebracht hatte. Zu letzterer, betonte Lanzerotti in einer nicht gerade bescheidenen Art, hatte er durch seine Arbeit maßgeblich beigetragen. In Bezug auf die natürlichen Reichtümer des Trentino hob das Büchlein die Vorteile hervor, die die Beschaffenheit des Territoriums und der Wasserreichtum der hydroelektrischen Energieproduktion verliehen. Nach Lanzerottis Schätzung verfügte das Trentino im Jahr 1915 über 200.000 PS ungenutzter Wasserkraft, und diese „echten, großen, weißen Kohlegruben“ würden der Region unbegrenzte Möglichkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung geben.

Um dieses Wasserkraftpotenzial zu nutzen, waren jedoch erhebliche Investitionen notwendig. In Lanzerottis Vision sollte der Bau von Großkraftwerken mit der Gründung von energieintensiven elektrochemischen und elektrotechnischen Industrien zur Herstellung von Salpetersäure, Aluminium, Kalziumkarbid, Eisen und Stahl, sowie mit dem Ausbau des Bahnnetzes, einhergehen. Die vorsichtige Wirtschaftspolitik der Wiener Regierung entmutigte jedoch private Investitionen und Initiativen in diesem Sinn. Das Nichtvorhandensein von Industrien und Bahnen, die die erzeugte Energie nutzen konnten, ließ den Export in die angrenzenden Regionen des Königreichs Italien praktisch unumgänglich werden. Ein Gesetz, das den internationalen Export von Energie verbat, machte dies jedoch unmöglich, was Lanzerotti dazu veranlasste zu schreiben, dass: „Die Verhinderung der Ausnutzung der Wasserkraft […] zu den größten und jüngsten Untaten der Regierung gegenüber den Italienern, die Österreich unterstehen, [gehört]“. In seinen Augen war die Wiener Regierung nicht nur unfähig, die Entwicklung des Sektors in angemessener Weise zu unterstützen, sondern auch eklatant diskriminierend, da der Energieaustausch zwischen Nordtirol und Bayern erlaubt war, nicht aber zwischen dem Trentino und dem Königreich Italien.

Das Trentino war also dazu verurteilt, ein „unfruchtbares“ Land zu bleiben, und nach Lanzerottis Meinung würde seine Erlösung erst mit dem Anschluss an Italien kommen. Eine Veränderung, von der sowohl die regionale als auch die nationale Wirtschaft profitieren würde. Wenige Jahre nach der Veröffentlichung dieses Pamphlets, als das Trentino italienisch war, begannen die großen privaten Energieunternehmen, seine Wasserkraftressourcen systematisch zu nutzen. Da jedoch der Großteil der Produktion für Industrien in Norditalien bestimmt war, brachte die Entwicklung der Wasserkraftindustrie nicht die von Lanzerotti erhofften Vorteile für die lokale Wirtschaft und gefährdete zudem das heimische ökologische Gleichgewicht. Erst die Umstrukturierung des Energiesektors und eine erneute Hinwendung zur nachhaltigen Entwicklung der Berggebiete über mehrere Jahrzehnte hinweg, ermöglichte die Ausnutzung der „weißen Kohlegruben“ zum Vorteil der Region.

 

Bibliografie:

Andrea Leonardi, “La parabola idroelettrica trentina: dalla ‘colonizzazione’ al controllo endogeno”, in: Idem (a cura di), Energia e territori di montagna. La produzione idroelettrica e il ruolo dei consorzi dei BIM. Problemi e prospettiva, (Milano: Franco Angeli, 2014), pp. 19-70.

Luciano Imperadori, Da consumatori a produttori: vita e opera dell'ing. E. Lanzerotti, fondatore del SAIT, (Trento, Sindacato Agricolo Industriale, 1979).

Die Quelle des Monats ist unter diesem Link online einsehbar:

https://digital.tessmann.it/tessmannDigital/go/190429

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Alice Riegler

Progetto Historegio: "Le trasformazioni tecnologiche e le loro ricadute in area alpina: XIX-XX secolo"

Dipartimento di Economia e Management – Università degli Studi di Trento

Contatto: alice.riegler@unitn.it 

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