Der Bozner Fleischdieb
Er kletterte vom Dach des Schlachthauses herab...
Lorenz von Tavonatti war als Gefällswächter ein Beamter der Stadt Bozen, der Marktgebühren und sonstige Gemeindesteuern einzuheben hatte. Das Tiroler Volksblatt vom 23. August 1911 erwähnt ihn lobend, weil er einem Polizisten half, einen jugendlichen Gewohnheitsdieb einzufangen.
Während der Kriegszeit wurde ihm die Portionierung und Verteilung von Fleisch an Minderbemittelte anvertraut. Zur Ausübung seines Amtes wurde ihm auch eine Wohnung im städtischen Schlachthaus zugeteilt.
Mit der Zeit kam es immer wieder zu Fehlmengen beim Fleisch, was dem städtischen Aufseher Unterkofler auffiel. Darauf beschuldigte Tavonatti ihn, dafür verantwortlich zu sein. Der Tiroler vom 11.7.1918 beschreibt die darauffolgenden Ereignisse, die sich wie ein Krimi lesen:
"In einer der letzten Nächte hielt Unterkofler wieder Wacht im Schlachthause und siehe, auf einmal kam vom Dach herab an einer breiten Gurte der Gefällswächter von Tavonatti in den Hof herabgeglitten. Er ging in den Keller und kam bald darauf schwer mit Fleisch beladen hinauf in die Fleischverkaufsstelle, wo er es versteckte und dann an der Gurte [...] wieder auf das Dach kletterte. Unterkofler erstattete die Anzeige, worauf sich ein Detektiv in das Schlachthaus begab und dort in der Nähe des verborgenen Fleisches Aufstellung nahm. Nach 6 Uhr früh kam Tavonatti und wollte das versteckte Fleisch holen, wobei er verhaftet wurde. Eine Hausdurchsuchung ergab noch 8 Kilogramm Butterschmalz, dabei wurde auch die Strickleiter gefunden."
(Symbolbild oben links: Gratisverteilung von Fleisch an Frauen eingerückter Reservisten - Quelle: Das interessante Blatt 27.8.1914)
[11.07.2018 Thomas Sinha]