Vor 100 Jahren

Symbolbild: Zementwerk Berching (Oberpfalz), um 1914 (public domain)
Symbolbild: Zementwerk Berching (Oberpfalz), um 1914 (public domain)

Der Streik, der keiner sein durfte

Arbeitseinstellung im Zementwerk

Die Perlmooser AG betrieb an verschiedenen Orten in ganz Österreich Zementwerke. Im Jahr 1918 war die Versorgungslage dermaßen akut geworden, dass die Arbeiter in Häring ihre körperlich anstrengende Arbeit nicht mehr verrichten konnten.

Die Tageszeitung Allgemeiner Tiroler Anzeiger schrieb am 31. Juli 1918:
"Aus Häring schreibt man uns: Die Arbeiter der P.A.G. [Perlmooser AG] stellten am Freitag, den 26. Juli, die Arbeit ein, nicht aber in Form eines Streikes, sondern mit der Erklärung, sie könnten nicht mehr arbeiten infolge der schlechten Ernährung von Seite des Werkes. Man machte den Arbeitern die verschiedensten Versprechungen, woraufhin sie am Samstag drauf die Arbeit wieder aufnahmen. Ob man die Versprechungen erfüllen wird? Es wäre sehr notwendig, denn die ‚Perlmoser‘ fassen wenig oder gar"
Hier endet der Artikel abrupt aufgrund staatlicher Zensur. Darunter befindet sich ein unbedruckter Bereich, in dem ursprünglich wohl Ausführungen standen, welche die Behörden mit Hinblick auf die Stimmung in der Bevölkerung als nicht angemessen empfanden. Neben der klar sichtbaren Zensur ist der Artikel auch deshalb bemerkenswert, weil keine andere Tiroler Zeitung das Thema aufgreift, was wiederum behördliche Maßnahmen vermuten lässt.

Der Verweis auf die Arbeitseinstellung, die aber kein Streik sein sollte, erklärt sich mit den drakonischen Strafen, die zu Kriegszeiten Streikenden drohten. Wer hingegen wegen Lebensmittelmangel zu schwach für Schwerarbeit war, lief ein geringeres Risiko rechtlicher Konsequenzen.
Nicht nur die Lebensmittel, sondern auch die Arbeitskräfte selbst fehlten, da die wehrfähigen Männer großteils eingezogen worden waren. Deshalb war es keine Seltenheit, dass auch Hochbetagte noch arbeiten mussten. Die Innsbrucker Nachrichten berichteten beispielsweise am 30. August 1918 von einem 81jährigen Aufseher der Perlmooser AG, der „bis wenige Wochen vor seinem Tode bei den genannten Zementwerken in Kufstein eifrig tätig“ war.



(Symbolbild: Zementwerk Berching in der Oberpfalz, um 1914, public domain)



[31.07.2018 Thomas Sinha]

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