"Billige Pferde für Bauern"
Aus der Not eine Tugend gemacht
Am 3. November wurde der Waffenstillstand von Villa Giusti unterschrieben, am selben Tag marschierten italienische Truppen kampflos in Trient ein, am 7.11. in Bozen. Gleichzeitig besetzten reichsdeutsche Truppen den nördlichen Teil Tirols, um ein Vordringen der Italiener nach Bayern zu verhindern – das Deutsche Reich und das Königreich Italien befanden sich noch im Kriegszustand. Dementsprechend lautete eine der Schlagzeilen im Tiroler Anzeiger vom 8.11.1918: "Die Deutschen am Brenner und an der Tauernbahn".
Die österreichisch-ungarischen Streitkräfte zeigten bereits Auflösungserscheinungen. Massen von Soldaten strömten von der ehemaligen Front ungeordnet nach Norden, um über den Brenner oder das Pustertal in ihre Heimat zurückzukommen. Neben allen Schwierigkeiten, die ein chaotischer Strom zehntausender durchziehender, meist unterernährter Soldaten für die – ebenfalls hungernde – Zivilbevölkerung Tirols bedeutete, gab es aber auch ungeahnte Chancen: die Soldaten konnten ihre Pferde in den überfüllten Güterwaggons nicht mitnehmen. Deshalb bot sich für Landwirte die Möglichkeit, zu günstigen Konditionen Pferde zu erwerben.
Die bereits oben erwähnte Tageszeitung Allgemeiner Tiroler Anzeiger vom 8.11. 1918 schrieb:
"Infolge des Zuströmens vieler Pferde aus dem Süden bietet sich Landwirten günstige Gelegenheit, in Innsbruck geeignete Wirtschaftspferde zu billig zu erwerben. Die Verfügung steht dem Tiroler Nationalrat durch seine Organe zu. Er hat den Tierzuchtoberinspektor Kubat, Innsbruck, Trainkaserne, mit der Aufgabe betraut. Jedoch ist es nötig, sich rasch umzusehen, weil die Pferde sonst anderweitig verwertet werden müssen. Die Pferde müssen natürlich in Innsbruck abgeholt werden."
Bild: österreichisch-ungarische Tragtierkolonne, 1915 – public domain
[8.11.2018 Thomas Sinha]