Vor 100 Jahren

Franzensfeste – Quelle: K.u.k. Kriegspressequartier

"Über alles wollen sie schaffen und befehlen"

Unmut über die italienischen Besatzungstruppen

Bereits wenige Wochen nach dem Waffenstillstand und dem darauffolgenden Einmarsch italienischer Truppen war der Unmut in der Südtiroler Bevölkerung groß. Die Tiroler Zeitungen südlich des Brenners unterlagen strenger Zensur, deshalb musste der unten angeführte Bericht erst nach Innsbruck geschmuggelt werden.

Am 29. Januar 1918 schrieb die Tageszeitung Allgemeiner Tiroler Anzeiger:
"Aus Franzensfeste wird uns berichtet: Gar oft schon hörte man vom Abzug der Italiener sagen und immer freute man sich auf den genannten Tag, aber leider war es immer nur ein Gerede ohne Wahrheit. Es ist nicht zu beschreiben, wie wir hier von diesen Herrschaften behandelt werden, alles wird oder wollen sie italienisch machen. Um nur ein Beispiel anzuführen, wurden in der Station Franzensfeste fast sämtliche deutschen Aufschriften mit italienischen verdeckt, als ob schon alles italienisch wäre und es keiner deutschen mehr bedürfe. Dann die jämmerlichen Postverhältnisse mit einer strengen Zensur und die Teuerung, eine Korrespondenzkarte kostet 25, ein Brief 50 Heller, da wir nach dem Kurs der Lire = 2 Kronen 50 Heller, diese Postsachen in Centessimi [sic] zahlen müssen. Kein Geldverkehr, noch weniger Paketverkehr, kein Ueberschreiten der Demarkationslinie, sowohl persönlich als auch brieflich möglich, keine Nachricht von den Angehörigen außer dieser Linie und die Strenge im Reisen im eigenen Gebiete, überall wird man angehalten und werden Papiere verlangt. Es ist kein Wunder, wenn jedermann mit Sehnsucht auf den Abmarsch [der Italiener] wartet. Mit den Lebensmitteln haben sie uns bisher noch am besten gehalten, aber halt auch entsprechend teuer; z.B. kostet Zucker 12 und 18 Kronen ein Kilo, Kaffee 30 bis 40 Kronen ein Kilo. Ueber alles wollen sie schaffen und befehlen."

 





Symbolbild: Franzensfeste – Quelle: K.u.k. Kriegspressequartier, Lichtbildstelle; public domain





[29.01.2019 Thomas Sinha]

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