"Ernennung von Abgeordneten aus den besetzten Gebieten"
Auch Südtirol soll in Wien vertreten sein
Am 16. Februar 1919 wählten die Bürger - auch Frauen - der neuen österreichischen Republik zum ersten Mal frei und gleichberechtigt ihr Parlament. Die Südtiroler waren ebenso stimmberechtigt, wurden aber - so wie die Mittel- und Untersteirer - meist von den Besatzungskräften an der Ausübung ihrer Bürgerpflicht behindert. In Deutschböhmen, im Sudetenland, in Olmütz, Brünn und Iglau konnte kein Bürger der Republik Deutschösterreich wählen.
Diese Situation stellte die Staatsregierung unter Karl Renner vor ein Dilemma: wie sollte man die Vertretung der Bürger in den besetzten Gebieten im Parlament gewährleisten?
Die Innsbrucker Nachrichten vom 25.2.1919 berichteten:
"Der Staatskanzler Dr. Renner sprach sich gestern [24.2.1919] in einer Unterredung gegen die Ernennung von Abgeordneten aus Deutschböhmen aus und verwies darauf, daß bei der Abfassung des § 40 der Wahlordnung nur an einzelne besetzte Gemeinden und Gebiete gedacht worden sei. Daher werde zweifellos der Staatsrat mit der Ernennung von Nationalräten aus ber Untersteiermark und aus Südtirol vorgehen. Niemand habe jedoch bei der Schaffung dieses Paragraphen daran gedacht, daß ein ganzes Volk von dreieinhalb Millionen Menschen unter ein fremdes Schwert gestellt werden würde."
Bereits am Tag darauf, am 26.2.1919, schrieben die Innsbrucker Nachrichten:
"Bezüglich der Ernennung von Abgeordneten aus Deutschsüdtirol und aus dem besetzten Gebiete Südsteiermarks ist ein Einvernehmen zwischen den Parteien hergestellt worden. Die Mandate Deutschsüdtirols werden so verteilt, daß ein Mandat den Deutschfreiheitlichen, eines den Sozialdemokraten und sechs den Christlichsozialen überlassen werden. [...]"
Symbolbild: Parlamentsgebäude Wien
[27.02.2019 Thomas Sinha]