Schweizer Rätoromanen für die Ladiner
Sympathiebekundungen im Kanton Graubünden
Im Ersten Weltkrieg war die Schweiz neutral geblieben und hatte diese günstige Situation genutzt, um humanitär zu wirken. So wurden verwundete Kriegsgefangene der verschiedenen Konfliktparteien über Schweizer Territorium ausgetauscht und repatriiert.
Die geplante Zerreißung Tirols weckte bei vielen Schweizern Sympathien für ihre östlichen Nachbarn. In Graubünden zeigten sich die Rätoromanen solidarisch mit ihren Sprachverwandten in Tirol.
Die Innsbrucker Nachrichten vom 22.3.1919 berichteten:
"Die Schweizer Rhaetoromanen haben unter der Führung des bekannten Dichters und Stiftdekans Pater Maurus Carnot O. S. B. (Disentis) und des 'Bündner Tagblatt'-Redakteurs Demont (Chur) eins großzügige Tätigkeit zur Befreiung der Tiroler Ladiner begonnen. Bei der Begeisterung der schweizerischen Bevölkerung für die Sache der leidenden Ladiner war schließlich die anfangs geübte Geheimhaltung der Unternehmungen nicht mehr aufrecht zu erhalten, und so weiß heute jede Schweizer Zeitung zu erzählen, daß die Graubündner allgemein und öffentlich Unterschriften für eine Sympathiebekundung an die Ladiner und für ein Memorandum an die Pariser Konferenz unter dem größten Beifall der romanischen Gaue sammeln. Die romanischen Dichter Maurus Carnot und G. [Giachen] Nay veröffentlichten flammende Gedichte für die unglücklichen ladinischen Brüder in den Schweizer Blättern. Diese bringen immer wieder neue Nachrichten über Kundgebungen und über die drückende Fremdherrschaft der Italiener über Deutsch- und Ladinisch-Tirol (220.000 Deutsche und 20.000 Ladiner). Insbesondere die "Uniu Romantscha" [sic; gemeint ist die "Uniun Rumantscha"] in Chur betätigt sich aufs eifrigste durch Versammlungen und Veröffentlichungen. Der Schritt der neutral denkenden Schweizer Romanen ist vor allem von stammesgleichen Gesichtspunkten geleitet. So können ihnen selbst imperialistische Italiener nicht verargen, wenn die begeisterten Anhänger einer zur Keltenzeit das ganze Alpengebiet bewohnenden Sprache sich mit ganzer Seele für die Erhaltung der wenigen verbliebenen Inseln der Osttiroler Alpen (Gröden, Ampezzo, Fassa) wehren."
Collage: Innsbrucker Nachrichten, 22.3.1919 (im Hintergrund); Farben der Tiroler Studentenverbindung Ladinia (im Vordergrund), die heute die Fahne Ladiniens sind [1]
[1] Lois Craffonara: Die Studentenverbindung Ladinia (1910–1920), ihr Wappen und ihre Zeitschrift; in: Ladinia XXIV–XXV (2000–2001) S. 157–198
[22.03.2019 Thomas Sinha]