"Kompromißvorschläge über Südtirol"
Verzweifelte Lösungssuche
Die abzusehende Trennung Südtirols von Österreich bewegte die Tiroler nördlich und südlich des Brenners. Verzweifelt wurde bis zuletzt nach einer Lösung gesucht, um die jahrhundertealte Landeseinheit zu erhalten.
Am 9. Mai 1919 zitierten die Innsbrucker Nachrichten das Telegramm eines Spezialkorrespondenten aus Paris, den die Wiener Tageszeitung Mittagspost am Vortag veröffentlicht hatte:
"Wünscht Deutschösterreich den Anschluß, so wird es auf Südtirol verzichten müssen, weil dann die jetzige Südtiroler Grenze eine strategisch sehr bedenkliche Grenze Großdeutschlands bilden würde. Erklären aber die österreichischen Delegierten den Verzicht auf den Anschluß, dann wird Deutschösterreich wirtschaftlich und territorial weitergehende Begünstigungen erhalten und in diesem Falle wird auch von einer glatten Abtretung Südtirols keine Rede sein können.
Ich kann definitiv verraten, telegraphiert der Korrespondent, daß in Paris über die Südtiroler Frage sehr eingehende und ernste Beratungen stattgefunden haben und noch immer stattfinden.
Von amerikanischer Seite ist folgender Kompromißvorschlag unterbreitet worden: Die deutschen und ladinischen Gebiete Südtirols bleiben bei Deutschösterreich. Alle in diesem Gebieten befindlichen Forts müssen geschleift werden und die deutschösterreichische Regierung hat Garantien dafür zu geben, daß innerhalb einer weit über den Brenner hinausreichenden Zone keine bewaffnete Macht weder in der Form von Standschützen. Volkswehr oder regulärer Truppen sich aufhält, noch dortselbst Waffen aufgestapelt werden.
Von englischer Seite wurde der noch weitergehende Vorschlag gemacht, daß den Italienern das Recht eingeräumt wird, in dem bei Deutschösterreich verbleibenden Südtirol eine Anzahl strategisch wichtiger Forts zu errichten, respektive zu besetzen."
Symbolbild: Schlernhaus mit Rosengartengruppe – Quelle: Zentralbibliothek Zürich, CC0
Das Schlernhaus wurde dem Alpenverein Bozen von den Faschisten enteignet und dem CAI (Club Alpino Italiano) übergeben.
[09.05.2019 Thomas Sinha]