Verurteilung des Friedens von St. Germain durch das Parlament
"Die Schicksalsstunde Deutschösterreichs hat geschlagen"
Die abzusehende Trennung Südtirols von Österreich stieß nicht nur in Tirol, sondern in der ganzen Republik auf heftigen Widerstand.
Am 7. Juni 1919 trat die Nationalversammlung [Parlament] zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Viele österreichische Tageszeitungen, darunter auch die Innsbrucker Blätter Allgemeiner Tiroler Anzeiger und Innsbrucker Nachrichten, druckten die Reden der führenden Politiker vollständig ab.
Der Präsident der Nationalversammlung (gleichzeitig interimistisches Staatsoberhaupt), der Sozialdemokrat Karl Seitz wurde folgendermaßen zitiert:
"Die Schicksalsstunde Deutschösterreichs hat geschlagen. Die Sieger haben nicht nur das Recht, alle Völker der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie für die Handlungen der seinerzeit Oesterreich-Ungarn Regierenden verantwortlich zu machen, sie haben auch die Macht, diese Länder und Völker zu zerreißen, die Menschen wie Steine in einem Spiele zu verschieben […]"
Nach Seitz sprach der Staatssekretär des Äußern [Außenminister] Otto Bauer, ebenso Sozialdemokrat:
"[…] Ob die Alliierten, als sie über Deutschsüdtirol verfügten, das Tiroler Volk nicht gekannt haben? In der Zeit, in der die Bauern im größten Teile Europas Leibeigene waren, saß der Tiroler Bauer als freier Mann auf seiner Scholle, saßen seine Vertreter neben Prälaten und Herren, neben Richtern und Städtern in den Landständen und hat er sich das Recht gewahrt, Waffen zu besitzen und Waffen zu führen. So hat dem Tiroler Volke seine Geschichte Stolz und Freiheitssinn, trotziges Selbstbewußtsein vererbt. Lebendige geschichtliche Ueberlieferung mehrt seine Freiheitsliebe. Wie kann man glauben, daß sich ein solches Volk leichthin der Fremdherrschaft unterwerfen könnte."
Bild: Titelseite "Salzburger Volksblatt", 10.6.1919
[10.06.2019 Thomas Sinha]
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