Südtirol hilft Wien
"Die Wiener Kinder in Bozen eingetroffen"
Die Lebensmittelversorgung in der unmittelbaren Nachkriegszeit war in Nord- und Südtirol unzureichend. Ungleich härter trafen die Versorgungsengpässe die Bevölkerung Wiens.
Im Rahmen einer – mit sprichwörtlichem Tiroler Fleiß – gut organisierten Hilfsaktion wurden unterernährte Wiener Kinder von Südtiroler Familien temporär aufgenommen und aufgepäppelt.
Die Bozner Tageszeitung Der Tiroler vom 11. Dezember 1919 schrieb:
"[Am] Mittwoch [10.12.1919], vormittags, wenige Minuten vor 9 Uhr langte der Sonderzug mit den ersten Wiener Kindern in Bozen ein. Derselbe brachte 600 Kinder, die zwar von der weiten und besonders im Winter nicht angenehmen Reise ermüdet, sonst aber bei gutem Humor waren. Freilich blaß, sehr blaß sehen die meisten dieser Kinder aus. Sichtlich groß war die Freude der Kinder, endlich nach der langen Fahrt am Ziele angelangt zu sein, und vielen blitzte trotz der mitgebrachten Not und der jetzigen Reisestrapazen der bestbekannte Wiener Frohsinn aus den Augen. Am Bahnhof in Bozen wurden sie zunächst einmal gleich mit warmen Tee und Kuchen gespeist, worauf jene Kinder, die in Bozen und nächster Umgebung selbst untergebracht werden sollen, in langem Zuge zur Turnhalle marschierten, um dort ärztlich untersucht und dann den Familien zugeführt zu werden. Jene Kinder, die im Unterlande Unterkunft finden, fuhren mit dem Sonderzuge bald weiter, um möglichst bald wieder freundliche Häuslichkeit zu finden."
Direkt darunter ein weiterer Artikel:
"Zum Schulbesuch der Wiener Kinder. Die Wiener Kinder sollen sich in erster Linie von den Anstrengungen der langen Eisenbahnfahrt erholen und sich an die neue Lebensweise gewöhnen. Eine Anmeldung zum Schulbesuche möge daher in den ersten 10 Tagen ihres Hierseins nicht erfolgen. Die Art und Weise, wie die Wiener Kinder zum Schulbesuche herangezogen werden könnten, wird im Einvernehmen mit den Schulbehörden geregelt werden."
Bild: Das Pflegekind Steffi aus Wien (ganz rechts) mit ihrer Montaner Gastgeberfamilie Tiefenthaler - Foto (c): Montaner Dorfbuch
[11.12.2019 Thomas Sinha]