"Lebensmittelschmuggel nach Bayern"
Not führt zu Missgunst
Die katastrophale Lebensmittelversorgung in Mitteleuropa nach dem Ersten Weltkrieg brachte viel Leid für Millionen Menschen. Gleichzeitig war sie Inspiration für verschiedene Hilfsaktionen: so wurden bedürftige Kinder aus Wien und Innsbruck temporär nach Südtirol verbracht, Schweizer errichteten Suppenküchen in Innsbruck und nahmen ebenso Innsbrucker Kinder auf, um sie wieder aufzupäppeln. Auch Bayern zeigte sich besonders solidarisch und pflegte hungernde Kinder aus Nordtirol – die bayerische Hilfsmaßnahmen hatten bereits noch während des Krieges begonnen.
Trotz dieser solidarischen Nachbarshilfe führte der Lebensmittelmangel manchmal zu Missgunst. Ein Artikel in der Tageszeitung Innsbrucker Nachrichten vom 30. August 1920 klagt über den "[...] zunehmenden Lebensmittelschmuggel, der durch die benachbarten bayrischen Gemeinden ziemlich schwunghaft betrieben wird und durch den die notwendigen Lebensmittel, besonders Butter, Fett und Fleisch aus Tirol verschleppt werden. […] Tirol hat den Fremden aus Bayern trotz seiner Not bereitwilligst die Grenzen geöffnet und ihnen Einreise und Aufenthalt erleichtert, obwohl seine Bewohner kaum selbst genügend zu essen haben. Es sieht auch neidlos zu, wie die reichsdeutschen Gäste hier im Lande infolge der Valuta spottbillig leben […] Wenn die Tiroler Bevölkerung aber erfahren muß, daß ihre kärglichen Nahrungsprodukte von gewissenlosen Sommergästen massenweis und systematisch über die Grenze geschleppt werden, so wirkt dies auf sie verbitternd und ist nicht geeignet, das freundschaftliche Verhältnis hüben und drüben zu stärken."
Symbolbild: Würste
[30.08.2020 Thomas Sinha]