Der Bozner Bürgermeister schreibt dem Bürgermeister von Trient
Unterschiedliche Auffassungen der bevorstehenden Annexion Südtirols an Italien
Trotz aller verzweifelten Kompromissvorschläge war die Zerreißung Tirols aufgrund des Friedensvertrags von St. Germain beschlossene Sache. Am 10. Oktober 1920 kam der südliche Landesteil offiziell zu Italien. Die politischen Eliten der Stadt Trient waren italienisch-national geprägt und begrüßten die Annexion, in Bozen war die Lage anders.
Die Tageszeitung Bozner Nachrichten veröffentlichte am 8. Oktober 1920 einen Brief des Bürgermeisters von Bozen:
"An den Bürgermeister in Trient.
Es ist ein altes deutsches Sprichwort: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Nichts anderes als Spott ist es aber, wenn Euer Hochwohlgeboren mich einladen, an einem Feste teilzunehmen, welches der Feier jenes Gewaltfriedens von St. Germain gilt, durch welchen die Stadt Bozen mit dem übrigen Deutsch-Südtirol von dem deutschen Mutterlande – ungeachtet aller Proteste gegen die zum Himmel schreiende Verletzung des vom Präsidenten Wilson als Friedensgrundlage aufgestellten Selbstbestimmungsrechtes losgetrennt und einem fremdsprachigen Staatswesen einverleibt wurde.
Ihre Zumutung, den Tag der Inkraftsetzung eines solchen Gewaltfriedens festlich zu begehen, lehne ich daher und zwar auch im Namen meiner Gemeinderatskollegen als eine Frozzelei [sic] mit aller Entschiedenheit ab.
Hochachtungsvoll
Dr. Jul. Perathoner m.p. [manu propria]"
Auch die Tageszeitung Il Nuovo Trentino veröffentlichte am selben Tag diesen Brief:
"Il sindaco di Trento, senatore Zippel, ha mandato al borgomastro di Bolzano, dott. Giulio Perathoner, un invito per la festa dell’annessione che si celebra colà il 10 ottobre.
Il borgomastro rispose all’invito con un biglietto di questo tenore:
È un vecchio proverbio tedesco: Chi ha il danno non ha bisogno di occuparsi delle beffe. E non è altro che una beffa da parte della Signoria Vostra l’invitarmi ad una festa destinata a celebrare la pace di sopraffazione di S. Germano in forza della quale la città di Bolzano, insieme col resto del 'Südtirol' tedesco – ad onta di tutte le proteste contro la violazione del diritto di autodeterminazione messo dal presidente a base della pace, violazione che grida vendetta al cielo – venne separata e incorporata in uno stato di lingua straniera.
La Sua pretesa di celebrare festosamente il giorno nel quale entra in vigore una tal pace di sopraffazione io la rigetto quindi con tutta decisione, come uno scherno, e ciò anche a nome dei miei colleghi del Consiglio Comunale."
Bild: Julius Perathoner, Gemälde von Alois Delug, 1909 – public domain
[08.10.2020 Thomas Sinha]