Rationierung, Lebensmittelkarten und explodierende Preise
Auch zwei Jahre nach Kriegsende blieb die wirtschaftliche Situation in ganz Tirol sehr ernst
Im südlichen Teil des Landes, entlang der Frontlinie, waren ganze Täler evakuiert worden: bei ihrer Rückkehr fanden die ehemaligen Kriegsteilnehmer und Flüchtlinge zerstörte Dörfer, die Häuser waren geplündert, die Felder und Wälder oftmals von Granattrichtern übersät. Aber auch der nördliche Landesteil, der nicht unmittelbar von den Kriegseinwirkungen betroffen und bei der neu gegründeten Republik Deutsch-Österreich geblieben war, wurde von den Kriegsfolgen schwer getroffen. Viele Männer waren im Krieg gefallen oder in der Gefangenschaft gestorben. Gar einige von denen, die es geschafft hatten nach Hause zurückzukehren, waren Invaliden oder nicht mehr in der Lage, in der Landwirtschaft zu arbeiten. Die Nahrungsmittelknappheit, eine der Ursachen für den Zusammenbruch der Monarchie, hielt auch in Friedenszeiten an.
Die wenigen verfügbaren Lebensmittel waren rationiert: Jeder hatte das Recht auf Mindestmengen an Mehl, Zucker, Kondensmilch und erhielt diese nach Vorweisen von „Rationierungskarten“. Sobald diese aufgebraucht waren, gab es nur noch den Schwarzmarkt: eine riskante und sehr teure Alternative. Die Inflation galoppierte und die Preise schossen in die Höhe: 1914 kostete ein Kilo Polentamehl eine halbe Krone, 1919 hingegen 3 Kronen (und auf dem Schwarzmarkt sogar 30); 1921 benötigte man zusätzlich zu den Marken auf der Lebensmittelkarte fast 13 Kronen für ein Kilo Polentamehl.
So berichteten die „Innsbrucker Nachrichten“ im April 1921:
Lebensmittel-Ausgabe: für die Woche vom 10. bis 16. April gelangen auf die Abschnitte 1-5 der gelben Mehlkarte ein Viertel-Kilogramm Mehl (per Kilogramm Kronen 12.70) und auf den Abschnitt 14 der roten Reiskarte ein Viertel –Kilogramm Polenta (per Kilogramm Kronen 12.70) zur Ausgabe. Der restliche Teil der Reiskarte wolle sorgfältig aufbewahrt werden.
(…) Zucker: die Februar-Zuckerkarten sind bis längstens Donnerstag den 14. April einzulösen, gleichzeitig beginnt die Ausgabe des Zuckers auf die Märzkarte.
Petroleum: Die Bezirkshauptmannschaft macht aufmerksam, dass im kommenden Herbste eine Stockung der Petroleumzuschüsse oder zumindest eine bedeutende Preissteigerung nicht ausgeschlossen ist, weshalb es sich empfiehlt, dass die Parteien sich schon jetzt für den kommenden Winter entsprechend eindecken.
Astrid Panizza