Quelle: Wikipedia
Wie aus einem Trachtenfest eine Tragödie mit Ansage wurde.
Der 24. April 1921 ging als „Bozner Blutsonntag“ in die Geschichte Tirols ein - dabei sollte an diesem Tag die Eröffnung der Bozner Messe als frohes und ausdrücklich unpolitisches Trachtenfest abgehalten werden.
Die Bozner Nachrichten schrieben dazu am 8. April 1921:
„Der Bozner Volkstrachten-Verein veranstaltet auf Anregung des Messevereins Bozen in der Bozner Messe-Woche und zwar am Sonntag, 24. April einen Trachtenzug durch die Stadt und hat sich hiezu auch schon die Genehmigung des Generalkommissariates in Trient erwirkt (…) hiermit ergeht ein freundliches Ladschreiben an alle Täler und auf alle Berge unseres Heimatlandes Südtirol, diesen Trachtenzug wenn möglich durch Entsendung einzelner Landsleute in Trachten oder auch ganzer Gruppen zu verstärken und zu verschönern (…) In den alten Trachten liegt eine besondere Eigenheit unserer lieben Heimat, ein erhaltens- und beschützenswertes Gut unseres Volkstums und durch eine derartige Trachtenschau soll die Liebe zu diesen alten Bekleidungsgebräuchen wieder erweckt und weiter gepflegt werden. Darum, liebe Landsleute von nah und fern, helft uns, diesen Trachtenzug zu einer Sehenswürdigkeit zu gestalten und lasst uns der Welt und nicht zum letzten uns selbst wieder einmal vor Augen führen, welch großer Reichtum von Schönheit, Farbensinn und Formenfreude in den alten Trachten, auch einem Erbteil unserer Altvorderen, liegt“
Niemand hatte sich vorstellen können, welche Reaktion dieser harmlose Aufruf hervorrufen sollte. Schon knapp eine Woche später ging eine unheilvolle Depesche aus Bozen nach Brescia und Verona ab:
Liebe Freunde des Exekutivkomitees der Fasci von Brescia und Verona - der Fascio di Combattimento von Bozen hat beschlossen, am Sonntag, den 24. dieses Monats eine Demonstration für die Italianität zu organisieren: Angesichts der Tatsache, dass an diesem Tag die Tiroler in großen Massen und in Tracht in die Stadt kommen werden um ihre Ansprüche geltend zu machen, ein unerlässlicher Schritt. Wir wissen, dass viele Faschisten mit dem Wahlkampf beschäftigt sind; trotzdem können wir die mutige Handvoll treuer Italiener nicht im Stich lassen. Wir bitten dringend für das Zustandekommen einer möglichst großen Mannschaft zu sorgen, welche am Morgen des nächsten Sonntags in Bozen eintrifft. Das Zentralkomitee wird sich, im Wissen um die Besonderheit dieser Demonstration, an den Kosten für Transport und Aufenthalt beteiligen. Wir zählen auf Ihren Geist der Solidarität und Opfermut. (*)
Es war unter diesen Umständen absehbar, dass an einem unbeschwerten Verlauf des Trachtenfestes nicht mehr zu denken war – die tragischen Ereignisse nahmen ihren Lauf.
Astrid Panizza
(*)Schreiben des Zentralkomitees der Fasci an Augusto Turati und Italo Bresciani, Mailand, 16. 4. 1921. Zit. nach Martegiani, Cronache, S. 448, Anm. 2 - Wiedergegeben in: Stefan Lechner: „Die Eroberung der Fremdstämmigen - Provinzfaschismus in Südtirol 1921-1926“, Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs Band 20, Innsbruck 2005, S. 125