Der Bozner Blutsonntag
Die tragischen Ereignisse in den Berichten der Tiroler Blätter
Die tragischen Ereignisse rund um den Bozner Blutsonntag lösten in ganz Tirol große Anteilnahme aus. Es war ein harmloser und ausdrücklich unpolitischer Trachtenumzug gewesen, den die hauptsächlich aus Brescia, Verona und auch aus Trient stammenden Faschisten mit Knüppeln, Schusswaffen und Handgranaten am Obstmarkt angegriffen hatten. Bezeichnenderweise stand dieser Übergriff unter dem Kommando von Achille Starace, dem zukünftigen Generalsekretär der Faschistischen Partei Italiens.
Die Bozner Nachrichten vom 27. April 1921 schreiben dazu:
„Die Bozner Messe hat ein jähes blutiges Ende gefunden. Kein unglücklicher Zufall, sondern ein wohlvorbereiteter verbrecherischer Anschlag hat einen harmlosen, von der Behörde genehmigten Festzug in ein Blutbad verwandelt. Was sich Sonntag nachmittags in Bozen ereignet hat, ist kein politisches Verbrechen, sondern vorsätzlicher gemeiner Mord und Mordversuch… (…) Bomben wurden geworfen, blindlings wurde aus Revolvern und Schießstöcken in die Menge geschossen und mit Indianergeheul fielen die Rasenden mit ihren Totschlägern über Festzügler und Zuschauer ohne Unterschied des Alters und des Geschlechtes her (…) und dann geschah das Entsetzliche (…)
Der Schatten Innerhofers wandelt heute von Haus zu Haus im Lande Südtirol, bis in die entlegensten Hochtäler wird er seinen Weg finden und auf jeder Schwelle (…) eine rote Spur hinterlassen.“
In Trient nimmt die Tageszeitung “Il Nuovo Trentino” unter ihrem Chefredakteur Alcide Degasperi ebenfalls am Tag nach dem Trachtenumzug Stellung:
„Ein Knall war zu hören, und alle erschrockenen Zuschauer dachten, eine Handgranate sei geworfen worden. Dem Betrachter war es unmöglich zu erkennen, auf welcher Seite der Kampf stattfand. Es war ein schrecklicher Moment [...]. Ein Toter und zehn Schwerverletzte sind zu beklagen. Die Leichtverletzten im Tumult können gar nicht gezählt werden. Die Messe wurde geschlossen und alle Geschäfte auch.“
Der Allgemeiner Tiroler Anzeiger aus Innsbruck verlautbart am 25. April:
„Der Überfall in Bozen beleuchtet wie ein Blitzstrahl grell und unheilverkündend die furchtbare Situation, in welcher Südtirol sich befindet. (…) - Der Umzug ist ganz etwas Harmloses. Und trotzdem stürzt sich der Faszistenschwarm (sic!) auf diesen Umzug, auf die festlich gekleideten Teilnehmer, Alte und Junge, Frauen und Kinder, mit Bomben und Schußwaffen wird gegen die deutsche Einwohnerschaft des Landes gewütet (…) Massenhaft Schwerverletzte sind das Ergebnis und ein Toter, an der Seite eines Kindes erschossen (…) So steht es heute in Südtirol. Dieses schwer heimgesuchte Volk ist der buchstäblichen Vergewaltigung, bewaffneten Überfällen mit gefesselter Hand und Mordattentaten bei helllichtem Tage in der Hauptstraße der Hauptstadt des Landes und bei festlicher Gelegenheit unter den Augen von tausenden fremder Gäste preisgegeben. Nun ist es Sache der römischen Regierung, mit eiserner Energie gegen das Banditentum des Faszismus (sic!) aufzutreten und das zu tun, was die Lokalbehörden und die lokale bewaffnete Macht in Bozen gestern versäumt hat. Schutz der deutschen Bevölkerung in Südtirol! In die Salurner Klause gehört eine Sperre gegen solche Attentäter und Mörder von unten.“
Die traurige Bilanz jenes Tages: An die 50 Verletzte und ein Todesopfer: Franz Innerhofer, Volksschullehrer aus Marling. Innerhofer war mit einem seiner Schüler in das Stiegenhaus des Ansitzes Stillendorf geflüchte. Er wurde verfolgt und während er das Kind zu schützen versuchte, mit einer Pistole von hinten erschossen. Damit war der mutige Familienvater das erste Opfer des Faschismus in Südtirol. Wenige Wochen darauf starb am 13. Juli einer der vielen Verletzten – er war von einem Eisensplitter einer Handgranate am Fuß getroffen worden. Giovanni Battista Daprà aus Ziano di Fiemme war das zweite Opfer dieses tragischen Tages.
Astrid Panizza
panizza.astrid@gmail.com