Vor 100 Jahren

Bürgermeister Perathoner bei der Ankunft von Viktor Emanuel III. in Bozen
Quelle: Privatarchiv

Die Durchreise des italienischen Königspaares durch Bozen

Nach dem Aufenthalt in Trient setzte der italienische König Viktor Emanuel III. seinen Weg nach Bozen fort. "Der Tiroler" vom 13. Oktober 1921 berichtet in nüchterner und sachlicher Weise – ganz im Gegensatz zur pathetischen Berichterstattung des „Il Nuovo Trentino“ (s. Artikel vom 14.10.2021) - mit vielen interessanten Details über das Aufeinandertreffen zwischen dem Bozner Bürgermeister Julius Perathoner und dem italienischen König.

Bei dieser Gelegenheit wandte sich Perathoner in seiner Muttersprache an den König von Italien und richtet einen mutigen Appell an den König. Der König muss zugeben, dass seine Deutschkenntnisse nicht ausreichen, um die Worte des Bürgermeisters zu verstehen, versichert ihm aber, dass er die Rede während der Weiterreise übersetzen lassen wird. Der Artikel hebt auch die äußerst korrekte Haltung der einheimischen Bevölkerung hervor und beschreibt - fast im Gegensatz dazu - den unbändigen Jubel der neuen Bewohner der Stadt.

,,Die Durchfahrt des Königspaares von Italien fand in Bozen heute, Donnerstag, 13. Oktober früh statt.

Zum Empfange an Bozner Bahnhof hatten sich die militärischen und zivilen Ämter, Lehranstalten und die in Bozen bestehenden italienischen Vereine, sowie viele in Bozen und Gries wohnhafte Italiener eingefunden. Von den erschienenen Persönlichkeiten erwähnen wir Herrn Zivilkommissär Postinger, Bürgermeister Dr. Perathoner mit Magistratsdirektor Eduard v. Sölder, Propst Schlechtleitner und Abt Alfons Augner von Gries mit mehreren Priestern aus dem Seelsorgeklerus von Bozen und Gries, (…) ferner die Direktoren und Lehrkörper sämtlicher hiesigen Mittelschulen sowie der Volks- und Bürgerschulen mit Vertretungen der Schuljugend.

Als der Hofzug um 7.40 Uhr einfuhr, spielte die Militärkapelle die Marcia reale. Das Königspaar verließ den Wagen, worauf die Begrüßung durch die offiziellen Persönlichkeiten erfolgte. Bei dieser Gelegenheit hielt der Bürgermeister an den König folgende kurze Ansprache:

„Gestatten mir Eure königliche Majestät, Sie beim Betreten der ersten deutschen Stadt des durch den Friedensvertag von St. Germain zugewachsenen Gebietes des Königreiches Italien in gebührender Ehrfurcht zu begrüßen und bestens zu danken für die uns Deutschen durch den Mund Ihrer Regierungen wiederholt und in der feierlichsten Weise gegebenen Versprechungen, unsere ererbte Sprache, Kultur und Sitte, kurz unser Volkstum zu schützen und zu wahren, unsere kulturellen und wirtschaftlichen Interessen zu fördern und uns als mit den Italienern gleichberechtigte Staatsburger zu betrachten und zu behandeln. Mit diesem herzlichen Danke verbinde ich die ergebene Bitte, Eure Majestät mögen allergnädigst geruhen, die Aufmerksamkeit Ihrer Regierung auf die unbedingte Notwendigkeit der endlichen, ungekürzten Einlösung der erwähnten Versprechungen zu lenken. Ich werde im Vertrauen darauf gerne bereit sein, auf die Bevölkerung in beruhigendem Sinne einzuwirken“.

Nach der Ansprache des Bürgermeisters richtete der König an diesen einige Worte, in denen er sagte, daß er der deutschen Sprache nicht genügend mächtig sei, um den Inhalt der Ansprache verstehen zu können; er werde sich diese während seiner Weiterreise übersetzen lassen. Sodann reichte er dem Bürgermeister die Hand. Im Verlaufe der weiteren Vorstellungen sprach der König auch eine Lehrerdeputation an. Eine weitere Fortsetzung der Vorstellungen mußte sodann unterbleiben, weil die ausgestellten Reihen infolge Andrängens von Italienern, die unter lebhalten Evviva-Rufen in die Nähe des Königs zu kommen trachteten, aus der Ordnung gerieten.

(…) Um 8.10 Uhr bestieg das Königspaar den Zug, während die Militärkapelle wiederum spielte. Unter Evviva=Rufen der Italiener setzte sodann der Hofzug nach halbstündigem Aufenthalt die Fahrt nach Norden fort. (…). Die einheimische Bevölkerung verhielt sich vollkommen korrekt und würdig. Es ereignete sich nicht der geringste Zwischenfall, der störend gewirkt hätte.“

Astrid Panizza

panizza.astrid@gmail.com 

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