Vor 100 Jahren

Provisorische Versammlung der Ersten Österreichischen Republik
Quelle: Privatarchiv

TAG DER REPUBLIK

Eine Feier mit geringer Beteiligung

Die „Innsbrucker Nachrichten“ vom 14. November 1921 berichten über die Feierlichkeiten zum dritten Jahrestag der Republik in Innsbruck, die vor allem von der Sozialdemokratischen Partei organisiert wurden. Letztere unterstützte die neue Ordnug und rief das Volk dazu auf, die Republik gegen jene zu verteidigen, die eine Rückkehr zur Monarchie wollten. Die Beteiligung an den Feierlichkeiten von Seiten der Bevölkerung war allerdings sehr verhalten. Auf dem Lande gingen alle ihrer Arbeit nach, so als wäre es ein Tag wie jeder andere auch.

Dies der Bericht der Zeitung:

,,Im Vergleiche zum Vorjahre war heuer die Beteiligung des Volkes an den Veranstaltungen, die zur Feier des dritten Jahrestages der Republik in Innsbruck inszeniert wurden, schwach zu nennen. Nur die sozialdemokratische Partei hatte ihre Anhänger zu einer Versammlung in dem großen Stadtsaale einberufen, in der Nationalrat Abram über die Frage „Bestand der Republik oder Monarchie?“ eine längere Rede hielt.

Während früher – so führte Nationalrat Abram wörtlich aus – die Arbeiter und Bauernsöhne um diese Zeit von „verdummten, rohen aristokratischen Offizieren“ in dem Kasernenhöfen ärger als das Vieh behandelt wurden, erfreuen sich heute in der Republik der Arbeiter und der Bauer der vollen Freiheit. Sie sind in Genusse aller bürgerlichen Rechte; die republikanische Regierung hat diesen bisher entrechteten Ständen soziale Gesetze geschaffen an derem Zustandekommen früher, in der Zeit der Monarchie, niemand gedacht hat. Widerwillig hätten sich die Beamten den sozialen Forderungen der republikanischen Minister gefügt. All die vielen Hofräte, Sektionschefs und Regierungsbeamten mußten erst unter der Republik für das Volk arbeiten lernen: die Auffassung, daß sie für das Volk und nicht das Volk für sie da sei, mußte ihnen erst von den einfachen Männern aus dem Proletariate, die durch die Republik Minister wurden, beigebracht werden.

Bei dieser Gelegenheit kam Nationalrat Abram auch auf den Beamtenabbau zu sprechen. Seiner Ansicht nach wäre es besser, man würde den größten Teil der Beamten, besonders jene, die in den Ministerien sitzen, mit vollem Gehalt wegschicken, weil hierdurch der große Apparat, den jeder Hofrat zur Amtsführung braucht, wegfiele.

Schließlich verlas Nationalrat Abram eine Entschließung, die den Inhalt seiner mehr als einstündigen Rede in die Forderungen zusammenfaßt, daß das arbeitende Volk Oesterreichs an der Republik, an allen sozialen Errungenschaften und am Anschlusse an Deutschland festhält. Das Volk werde alle dagegen gerichteten Bestrebungen, selbst mit Einsatz des Lebens, zu verteidigen wissen. Die Entschließung wurde einstimmig angenommen.

(…)

In der Stadt war von einer feierlichen Stimmung nicht viel zu bemerken Das schöne Winterwetter hatte, trotz der empfindlichen Kälte, viele zu Ausflügen in die Umgebung veranlaßt und die Ausflügler konnten dabei feststellen, daß auf dem Lande überall gearbeitet

wurde.”

Astrid Panizza

panizza.astrid@gmail.com

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