Politik und Musik. Zuschauer sagen nein.
Die Innsbrucker Nachrichten vom 10. April 1922 berichteten über ein Konzert, welches wegen der Anwesenheit eines italienischen Musikers unter den Orchestermitgliedern unterbrochen worden war.
Dies hatte unter einigen Zuhörern zu heftigen Protesten geführt. Südtirol war erst zwei Jahre zuvor von Italien annektiert worden und die Ressentiments gegenüber den italienischen Besatzern waren in Teilen der Bevölkerung noch sehr lebendig. Es gibt hier eine auffällige Parallele zu den kürzlich abgesagten Konzerten, bei denen Künstler aus Russland auftreten sollten, einem Land, das bekanntlich die Ukraine überfallen hat. Es scheint, als habe die Menschheit aus den Erfahrungen der beiden Weltkriege nichts gelernt.
Das lesen wir in der Zeitung:
„Aus Innsbruck wird gemeldet: Am Samstag abends hielt der italienische Cellovirtuose Lucillo Trentini im Musikvereinssaale ein Konzert. Auf dem Programme standen Werke deutscher und italienischer Meister.
Kurz vor Beginn des Konzertes betrat ein junger Mann das Podium und erklärte, daß der deutsche Süden des Landes von den Italienern annektiert und vergewaltigt wurde. Man dürfte mit dem Kampfe um die Wiedergewinnung des deutschen Südens niemals ablassen und es sei nicht angängig, daß man Italiener so freundschaftlich behandle. Die deutsche Studentenschaft werde es zu verhindern wissen, daß in Zukunft noch einmal ein Italiener in Innsbruck auftrete. […] Das Publikum nahm diese Worte des Sprechers mißfällig auf und zischte ihn aus. Es wurde bemerkt, daß Politik nichts mit Kunst zu tun habe. Als der Virtuose das Podium betrat, wurde er mit demonstrativen Beifall empfangen. Das Konzert verlief ohne jede weitere Störung“.
Astrid Panizza
panizza.astrid@gmail.com