Vor 100 Jahren

Giovanni Segantini
Quelle: Wikipedia

Zu Giovanni Segantinis Orten der Inspiration

Mehr als 20 Jahre nach dem Tod des österreichischen Malers Giovanni Segantini aus Arco (1859-1899) reiste im Juni 1922 eine Gruppe von Journalisten ins Engandin in die Schweiz, wo der Künstler mit seiner Familie lange Jahre gelebte hatte.

Erwähnt sei an dieser Stelle, dass der Künstler, der im Alter von 7 Jahren seine Mutter verloren hatte und von seinem Vater verlassen wurde, auf Betreiben seiner Stiefschwester seine österreichische Staatsbürgerschaft verlor. Somit wurde er staatenlos, was er Zeit seines Lebens auch blieb. Während seiner künstlerischen Reife wurde er als möglicher Künstler für den italienischen "Principe Umberto Preis" nominiert, was letztendlich nicht in Frage kam, da Segantini als Künstler österreichischer und nicht italienischer Herkunft galt.

Gottardo Segantini, der Sohn des Künstlers, begleitete die Gruppe und führte die Journalisten zu den symbolträchtigen Orten im Leben seines Vaters.

Die Zeitung "Il Nuovo Trentino“ vom 24 Juni 1922 berichtet dazu:

„In den kargen Mauern, in denen alles an den großen Verstorbenen erinnert, empfängt uns die Witwe von Giovanni Segantini mit unvergesslicher Gastfreundschaft. Sie lebt dort oben seit vielen Jahren in der Verehrung seines Andenkens zusammen mit ihrer Schwiegertochter und ihren Enkelinnen, der Frau und den Töchtern von Gottardo. Die Stunden vergehen mit ihnen sehr schnell, in einem heiteren und bewegten Gedenken [...].

Die Gruppe besuchte Orte in der Natur, die ein Schlüsselelement für die meisten von Segantinis Gemälden waren, nämlich die Gegenden von Maloja, Sils bis hin zu St. Moritz. In dem runden Saal, in dem das Triptychon der Natur ausgestellt ist, das letzte Werk des großen Italieners (sic!), dessen Seele in völliger Harmonie mit diesem Land der gigantischen Berge steht, herrschte ein einziges Gefühl der Bewunderung, das alle in Ehrfurcht versetzte, und wir waren von einem Gefühl der Klarheit erfüllt, als befänden wir uns in einem freundlichen, aber fremden Land angesichts einer klar erkennbaren nationalen Größe“.

Die Gruppe machte sich dann auf den Weg nach Samaden und hatte die Ehre, mit der Standseilbahn von Muottas Muragl zu fahren, von wo aus die Journalisten gebannt an die Zeit zurückdachten, als Segantini von diesen Landschaften inspiriert wurde. Die Rückreise erfolgte mit der Berninabahn, die sich entlang hoher Gebirgsketten mit „kolossalen Schneefeldern“ schlängelt.

Der Artikel schließt mit einer Reflexion: „Die Eisenbahn steigt unaufhaltsam die Höhe hinan. Diese wunderbare Linie, welche die Kühnheit und - warum soll man es nicht sagen - die Genialität der Schweizer ans Tageslicht gebracht hat, lässt die Landschaft unberührt. Sie geht am Rande des Berges vorbei ohne selbigen zu entweihen und respektiert dabei die Integrität des Berges“.

Astrid Panizza

panizza.astrid@gmail.com

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