Weihnachtsfriede.
In der Bozner Tageszeitung "Der Tiroler" vom 23. Dezember 1922 ruft die Redaktion zu Frieden und zur Rückbesinnung auf alte Traditionen auf, um der Zukunft gelassen entgegensehen zu können.
In diesem so schicksalhaften Jahr - die Machtergreifung des Faschismus in Italien lag erst zwei Monate zurück - klingt auch eine verhaltene Ahnung einer unsicheren, schweren Zukunft mit:
„Wieder ist Weihnacht da. Das heimliche Königreich des ewigen Friedens. Die Hoffnung der Völker vor Jahrtausenden einst, jetzt wieder die Hoffnung der Nationen. In seiner Gläubigleit erstrahlt das Kind eine lichte Erscheinung auf der wüsten Schädelkette dieser kampfumtobten, verronnenen Jahrtausende zurück in den Garten seiner Jugend. Die Menschheit sehnt sich zurück nach dem Frieden – Jahrtausende zurück nach dem Frieden. Ewig nach ist der Friede, unverrckbar strahlt der Weihnachtsstern über uns wie vor zwei Jahrtausenden, im selben Glanze.
Und dennoch ist diese gepeinigte Menschheit friedlos. Und dennoch bricht sie nicht auf, den Weg zu geh’n, den der Stern bezeichnet, wie einst die Hirten auf den Auen von Bethlehem und die Könige aud dem Morgenlande. Die Völker der alten und neuen Welt lauschen nach der großem befreienden Friedensbotschaft, aber sie hören die Stimme nicht, die über Bethlehem erklang die nicht unterging im Vorüberrauschen der Jahrhunderte.
Traurig ist das Bild der Welt geworden, sich abrollt seit Jahren. Stunde um Stunde die trostlose Abfolge von Haß, Ablehnung und Lüge, immer neues fruchtloses Bemühen, immer neue Entläuschungen, ein Strom von Elend und Not. Und trotzdem sollen die Völker, die alle noch das Kainsmal des Weltkrieges an ihren Stirnen tragen, Sieger und Besiegte, berücksichtigen:
Bessres kann kein Volk vererben, als ererbten Väterbrauch, Wo des Landes Bräuche sterben, Stirbt des Landes Blüte auch“.
Astrid Panizza
panizza.astrid@gmail.com