Kein Burgfriede in Südtirol
Faschistischer Großrat verwirft Abkommen mit Deutschem Verband
In Gesprächen mit Luigi Barbesino, Provinzialsekretär der Faschistischen Partei der Provinz Venezia Tridentina, hatte der Deutsche Verband in Südtirol in den ersten Monaten des Jahres 1923 ein Abkommen verhandelt, das unter anderem den Verzicht auf die Italianisierung vonseiten der Faschisten und die Abkehr von einer irredentistischen Politik vonseiten der Südtiroler, sprich die Anerkennung der Zugehörigkeit Südtirols zu Italien, vorsah. Entgegen aller Erwartungen jedoch verwarf der Große Rat der Faschisten im März den sogenannten „Bozner Burgfrieden“. Enttäuschung machte sich breit, nicht nur in Südtirol.
Unter „Kein Abkommen der Faschisten mit dem Deutschen Verband in Südtirol – Offener Kampf gegen das Deutschtum“ schreiben dazu die Innsbrucker Nachrichten am 17. März 1923:
„Das Fragezeichen, das wir unserem vor kurzem gebrachten Artikel ‚Burgfrieden in Südtirol‘ beisetzten, war berechtigt; die neuesten Meldungen aus Rom wie aus Südtirol bestätigen übereinstimmend, daß die Verhandlungen des Großen Rates der Faschisten ergeben haben, daß von einem Abkommen zwischen der Organisation der Faschisten und dem Deutschen Verband in Südtirol nicht die Rede sein kann.“
In der Folge zitieren die Innsbrucker Nachrichten die antifaschistische „Libertà“, die detaillierter über ein Gutachten von Senator Ettore Tolomei berichtete:
„Der Standpunkt Tolomeis sei bekannt und könne folgendermaßen formuliert werden: ‚Auf der von der faschistischen Regierung geschaffenen Basis der einheitlichen Provinz Trento müsse die deutsche Bevölkerung Südtirols einsehen, daß die faschistische Regierung trotz der vollen Achtung vor der Gesinnung und den Sitten der deutschen Bevölkerung und des Wunsches nach einem friedlichen Mitsammenleben der beiden Volkststämme, in keinster Weise Garantien für das dauernde Bestehen des Deutschtums in Südtirol zu geben beabsichtigt, […] im Gegenteil: die faschistische Regierung öffnet die Tore dieses Gebietes für das Italienertum, das sich dort naturgemäß kräftig geltend macht und sie begünstigt in jeder Weise die Durchdringung und die Angleichung dieses Grenzlandes an die Einheit der Nation.‘“ […]
16.03.2023 - Maria Pichler