Vor 100 Jahren

Ab 1924 ist in Südtirol die Zivilehe verpflichtend
Foto: Studioaufnahme. Gruppenporträt einer Frau und eines Mannes, 1928, Fotograf/in: Fotostudio Waldmüller, 003-Bestand Fotostudio Waldmüller Interreg V, Amt für Film und Medien/Autonome Provinz Bozen – Südtirol, LAV003-BA-30474-2035, CC BY 4.0

Erste Ziviltrauungen im Meraner Rathaus

Italien führt im Jahr 1924 in den „neuen Provinzen“ das Zivilstandesregister ein

Mit dem 1. Jänner 1924 werden in den sogenannten „neuen Provinzen“ in Italien die gesetzlich verpflichtende Zivilehe und damit auch das Zivilstandsregister eingeführt. Bis zum 31. Dezember 1923 wurden Geburten (Taufen), Sterbefälle und Trauungen in Südtirol ausschließlich in den Kirchenbüchern der jeweiligen Pfarrämter verzeichnet. Die „Meraner Zeitung“ berichtet in ihrer Ausgabe vom 21. Jänner von den ersten Ziviltrauungen im Meraner Rathaus: 

„Am vergangenen Samstag vormittags unterzogen sich in Meran die ersten beiden Brautpaare dem staatlichen Trauakte, und zwar in dem eigens hierzu entsprechend ausgestatteten Trausaale des städt. Rathauses. Es waren dies Advokat Arturo Sadun vom Banco di Roma, Filiale Meran, und Fräulein Mathilde Lavvezzoli, sowie Gius.[eppe] Tammanini aus Ravina und Frl. Berta Rath aus Bozen.

Nachdem erstere beide nach der Konfession israelitisch und katholisch waren, bildete deren Vermählung gleicherzeit den Auftakt zum Prinzipe, wonach der Staat keine separierende Sperren durch das Glaubensbekenntnis gelten lässt. 

Dieser erstmalig vollzogene standesamtliche Trauakt erhielt ein besonders feierliches Gepräge ob der zahlreichen zufällig anwesenden weiteren Brautpaare, die zur Ablegung des Eheversprechens erschienen waren – den Trauungen kann nämlich, weil öffentlich, jedermann beiwohnen. […]

Die meisten unserer Leser dürften sich gewiss noch dafür interessieren, unter welchen Zeremonien der zivile Trauungsakt vor sich geht. Es sei das ziemlich weitläufige Zeremoniel [sic!] deshalb in Kürze zusammengefasst. Der Begrüßung des Brautpaares durch den Vorsitzenden folgt die ausführliche Eintragung in das Register, die in zweifacher Weise mit Unterschrift der Zeugen, welche unter eidlicher Einvernahme stehen, geschieht. […]

Gleich wie in der Kirche werden die Fragen einzeln an den Mann und an die Frau gestellt, ob er, bzw. ob sie, die Frau, resp. den Mann als Ehegatten zu nehmen gewillt sind. Nach dem beiderseitigen ‚Ja‘ reicht sich das Paar vor den funktionierenden [sic] Amtspersonen die rechte Hand und diese erklärt hiermit die Ehe im Namen des bürgerlichen Gesetzes als vollzogen. Den Abschluß bilden die bezügl. Unterschriften. […] Diese Ehe ist nach dem ital. Gesetze nicht lösbar, sondern anerkennt gleich dem österr. Gesetze nur die Trennung von Tisch und Bett mit Ausnahme jener Fälle, in denen ein Ehehindernis vorlag, wonach eine Ehe überhaupt nicht eingegangen werden kann.“

 

25.01.2024 - Maria Pichler

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