Angriff auf Meinungsvielfalt und Pressefreiheit
„Nuovo Trentino“ muss sein Erscheinen aussetzen
Im Frühjahr 1924 üben die faschistischen Machthaber zunehmend Druck auf die Tagespresse und Zeitschriften unterschiedlicher politischer Ausrichtung in Südtirol und im Trentino aus. Angriffe auf die Meinungsvielfalt und die Pressefreiheit, durch restriktivere Pressegesetze und Zensur läuten das große Zeitungssterben ein. In den darauffolgenden Monaten verschwinden nicht regierungskonforme Blätter nach und nach. Als eines der ersten Opfer gilt das sozialdemokratische „Volksrecht“, das bereits im Dezember 1923 eingestellt wurde.
Im Trentino musste der „Nuovo Trentino“ unmittelbar vor den Parlamentswahlen aufgrund eines Überfalls auf die Redaktion und die Druckerei sein Erscheinen aussetzen. Am 8. April 1924 klärt das katholische Blatt seine Leserinnen und Leser über die Hintergründe auf:
„Unsere Leser werden sicherlich erkannt haben, warum der Nuovo Trentino in den letzten Tagen vor den Wahlen die Veröffentlichung einstellen musste. […]
Der Brennero [faschistische Tageszeitung] möchte suggerieren, dass niemand unsere Pressefreiheit eingeschränkt habe; es ist aber eine Tatsache:
- dass es neben dem Eindringen in unsere Druckerei und Redaktion direkte Drohungen gab, sollte die Veröffentlichung des Nuovo Trentino nicht ausgesetzt werden;
- dass mehrere Versuche unsererseits, den Nuovo Trentino am Freitag zur Paketstation zu bringen, scheiterten, weil die Faschisten unsere Paketträger umzingelten, ihnen die Zeitungen entrissen und sie bedrohten, sofern sie sich nicht zurückziehen sollten;
- dass am Freitag, begleitet von gewalttätigen Übergriffen und Drohungen, unseren Freunden Exemplare des Nuovo Trentino aus der Hand gerissen wurden;
Im Übrigen war es bezeichnenderweise der Brennero, der weder am Freitag noch am Samstag zu den Zwischenfällen (nennen wir sie so) beim Nuovo Trentino berichtet und der uns am Sonntagmorgen die Pressefreiheit garantiert hat, als unsere Zeitung, und der Brennero wusste davon, nicht mehr in der Lage war, darauf zu replizieren und die Aussagen zu widerlegen.“
11.04.2024 - Maria Pichler