Vor 100 Jahren

Zu Allerheiligen sind im östlichen Tirol die „Krapfenschnapper“ unterwegs
Im Bild: Krapfenschnapper in Patriasdorf (Lienz), 1991(Fotograf: Hansjörg Temmel)

Tiroler Bräuche: das Krapfenschnappen

„So wird die trübe Allerheiligennacht lauter, als es die Kirche meint“

Bis heute ziehen in einigen Gemeinden Osttirols und im Südtiroler Teil des Pustertals am Allerheiligentag junge Burschen (und Mädchen) um die Häuser, um als „Krapfenschnapper“ milde Gaben zu erbitten. Mancherorts verkleiden sich die Kinder und verstellen ihre Stimme, überall aber haben sie ihre Schnapper – Holzstangen mit einem Tierkopf – mit dabei, mit denen sie sich geräuschvoll ankündigen. Was es mit diesem Brauch auf sich hat, beschreiben die Osttiroler Heimatblätter in ihrer Ausgabe vom 1. November 1924:

„Wie die Sonne irgendwo hinter der Schattseite verkugelt ist, fällt einem die „Wilde Fahre“ ins Haus, ein bischen überlaut, aber höchst ungefährlich. Ein Schippel Schulerbuben ist es, jeder bewaffnet mit einem ‚Krapfenschnapper‘ und einer großen Begeisterung für die gute Sache. Ein Krapfenschnapper? Das ist ungefähr ein Spazierstock mit einem angeschnitzten Hunde- oder Pferdekopf. Die Kiefer sind aber beweglich, eine drangebundene Schnur oder Sehne schlägt sie klappernd auf und zu. Aus dem erstbesten Knüttel ‚zusammengeschnaggerte‘ sind dabei und wertvolle Schnitzstücke alter Hauskunst; die einen angestrichen, die andern altersgebeizt, Erbstücke des ‚gescheiter gewordenen‘ Vaters an den zur Zeit noch ganz unweisen Sohn, wieder andere erst vorgestrig und ‚eigener Erfindung‘.

Ein paar der Kerlchen haben zu Vorsorge und zarter Mahnung einen Rucksack umgehängt, alle aber lassen ihre Schnapper eine sehr deutliche Sprache reden, daß man auch den welschesten Kannitverstan damit bedeutschen könnte. Einen Hut voll Nussen und jedem einen Krapfen und dahin stiebt die lachende Horde, ins nächste Haus. 

Nach dem ‚Nachblig‘ kommen die ‚großen Buben‘, maskiert, berußt, zum Teil in ‚Gitschen‘ verwandelt und das sind nun die rechten Krapfenschnapper. Da sucht man die schönen Krapfen heraus und zu den Krapfen gehört ein Kaffee und zum Krapfenschnappen ein Pregler. Damit aber kommt viel ‚Stimmung‘ und zuletzt geht’s völlig nimmer ohne ein bißl Drah di um! Und so wird die trübe Allerheiligennacht lauter, als die Kirche meint und will. Lustig in Ehren hätt ja Gott und die Welt gern, aber zu einem anderen Datum schier lieber.

Im Defereggen hat der Brauch eine idealere Seite. Es kommen am Allerseelentag die Schulkinder und bitten um einen Krapfen und danken mit dem lauten, treuherzigen Vergeltsgott des Landes. Und der Vergeltsgott gehört den armen Seelen, so will’s die Bäuerin haben.“

31.10.2024 - Maria Pichler

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