Knast für Briefschmuggler
Der höhnische Artikel im "Il Nuovo Trentino"
Nachdem die italienischen Besatzungsbehörden bereits Ende 1918 den Brennerpass abgeriegelt hatten, durften nur vereinzelt Personen zwischen den Tiroler Landesteilen verkehren. Die Mitnahme von Briefen war strengstens verboten. Der Versand von Briefen über die Waffenstillstandslinie war kompliziert, langwierig und unterlag einer strengen Zensur. Es verwundert nicht, dass Tiroler nördlich und südlich des Brenners anderweitige Methoden suchten, um mit ihren Familienangehörigen jenseits der Waffenstillstandsline in Kontakt zu bleiben.
Die Trientner Tageszeitung Il Nuovo Trentino, die seit 23. November 1918 von Alcide Degasperi mit dem Wohlwollen der italienischen Besatzungsbehörden herausgegeben wurde und eine dezidiert antitirolische Blattlinie pflegte, schrieb am 12. April 1919:
"Ach, diese verflixten Briefe!
Ja, das Verbotene hat einen besonderen Reiz, dem nicht einmal die Stärksten zu widerstehen wissen.
So ist es: es gibt Vorschriften, die das Übertreten der Waffenstillstandslinie mit Briefen oder ähnlichem strengstens verbieten:
Es gibt immer einen Einfaltspinsel, der darauf reinfällt. Diesmal ist der Einfaltspinsel ein Bauer aus Sterzing, ein gewisser Josef Kuber [sic, vermutlich: Huber], 40 Jahre alt – was eigentlich schon viel aussagt – der mit vier Briefen in der Tasche den Grenzübertritt versuchte. Natürlich wurde er von den Alpini erwischt und sitzt nun beim Kriegsgericht unserer Stadt in Haft. Hier wird er über seinen missglückten Versuch, der ihm noch teuer zu stehen wird, nachdenken können.
So ist es halt. Aber einige scheinen keinen Verstand zu haben.
Möge es anderen ein Beispiel sein!"
Bild: Il Nuovo Trentino, 12.4.1919
[12.04.2019 Thomas Sinha]