Vor 100 Jahren

Schule, 1904
Scuola, 1904

"Eine deutsche Schule gesperrt"

Der Laager Schulstreit

Im Schuljahr 1919/1920 ersetzte die italienische Zivilverwaltung in Südtirol – unter der Leitung von Generalkommissar Luigi Credaro – die deutsche Schule von Laag mit einer italienischen, da ein beachtlicher Teil der Laager Kinder von Zuwanderern aus Welschtirol abstammte und somit zuhause Italienisch sprachen.[1]

Die Bozner Tageszeitung Der Tiroler berichtete am 17. September 1919:
"Eine deutsche Schule gesperrt. Soeben erfahren wir, daß die deutsche Schule in Laag bei Salurn durch das Zivilkommissariat Bozen aufgehoben und den Schulschwestern die Weisung erteilt wurde, bis zum 30. September vom Schulhaus sich zu entfernen."

Zu Credaros großer Verwunderung protestierten die Laager Eltern vehement gegen diese Maßnahme. Darauf löste er den Gemeinderat auf, setzte einen italienischen Verwalter ein und drohte den Eltern mit erheblichen Strafen, wenn sie ihre Kinder nicht in die italienische Schule schickten.[2]

Die Bozner Wochenzeitung Volksbote vom 11. März 1920 beschrieb die darauffolgenden Ereignisse:
"Noch ist in aller Erinnerung der Kampf um die Laager Schule. Die Bevölkerung dieses Dörfleins geht wahrhaftig einen Kreuzweg. Man hatte ihr die deutsche Schule einfach genommen trotz ihres einmütigen Protestes, trotz all ihrer Bitten. Die armen Leute wurden sogar gezwungen, sich von ihren Kindern zu trennen, sie aus der sichern Hut der Familie loszureißen und fremden Leuten in den Nachbarsorten anzuvertrauen, damit sie dort die deutsche Schule besuchen können. Und zudem wurden noch den Eltern schwere Strafen angedroht. – Wie in Laag, so wollte man es ähnlich auch an andern Orten machen. Wer erinnert sich nicht, wie zu Anfang des laufenden Schuljahres allüberall italienische Schulen errichtet wurden, wie ganz Trupps von Lehrern und Lehrerinnen vom Süden herauf wanderten, wie vor alten Zeiten die welschen Kesselflicker? Es wurden Gebäude requiriert (angefordert) zu Schulzwecken usw. Eines war nicht zu requirieren, was zu einer Schule unbedingt gehört: Die Kinder. Die kamen nicht. Sie kamen nicht, trotz Versprechungen von allerlei schönen Sachen, die man ihnen geben wollte, sie kamen nicht trotz der Drohungen, die gegen sie und die Eltern ausgestoßen wurden. Und so blieben die italienischen Schulräume leer und die Lehrer und Lehrerinnen konnten spazieren gehen."



[1] Rainer Seberich, Südtiroler Schulgeschichte, Bozen 2000, S. 61.

[2] Ebd.; Ester Capuzzo, Die Stellung der Minderheiten im italienischen Staatsrecht von der Krise des liberalen Staates bis zur Gründung der Republik, in: Umberto Corsini/Davide Zaffi (Hrsg.) Die Minderheiten zwischen den beiden Weltkriegen (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient 10), Berlin 1997, S. 44.





Symbolbild: Schule in Charlottenburg, 1904 – public domain

 

[17.09.2019 Thomas Sinha]

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