Vor 100 Jahren

Eduard Reut-Nicolussi

Eduard Reut-Nicolussi lässt sich als Anwalt nieder

Der ehemalige Abgeordnete kehrt nach Südtirol zurück

Der Jurist Eduard Reut-Nicolussi wurde 1888 in Trient geboren und wuchs in der deutschen Sprachinsel Lusern auf. Kurz nach Abschluss seines Studiums der Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck brach der Erste Weltkrieg aus. Er diente als Offizier bei den Tiroler Kaiserjägern und wurde mehrfach ausgezeichnet.

Nach dem Krieg wurde Reut-Nicolussi zu einem leidenschaftlichen Vertreter Südtirols. Die Konstituierende Nationalversammlungdas erste von Frauen und Männern in freier und gleicher Wahl berufene Parlament der Republik Österreich – ernannte ihn am 4. April 1919 zu einem der Abgeordneten Südtirols.[1]
Mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Saint Germain wurde die Zerreißung Tirols für Eduard Reut-Nicolussi zur tragischen Gewissheit, in seiner viel beachteten Rede nahm er im Namen Südtirols Abschied von Österreich. Sein Mandat im österreichischen Parlament endete am 18.11.1919.

Er kehrte von Wien nach Südtirol zurück und eröffnete eine Anwaltskanzlei. Die Tageszeitung Innsbrucker Nachrichten berichtete am 8. April 1920:
"Der ehemalige Abgeordnete für Südtirol Dr. Eduard Reut-Nicolussi hat sich als Rechtsanwalt in Bozen niedergelassen und seine Kanzlei am Kornmarktplatz Nr. 6 eröffnet."
Als Anwalt hatte er "recht guten Erfolg", wie ein italienischer Polizeibericht aus dem Jahr 1951 im rückblickend konstatierte.[2]

Im Mai 1921 wurde er für den Deutschen Verband – dem Zusammenschluss der bürgerlich-deutschen Parteien Südtirols – für das italienische Parlament gewählt.[3] Als Abgeordneter setzte er sich konsequent für seine Heimat ein, konnte aber nach der Machtübernahme der Faschisten nichts mehr bewirken. Nach Ende seiner Amtszeit im Januar 1924 stritt er als Anwalt weiterhin für die Rechte seiner Landsleute.

Schon bald war er den Faschisten ein Dorn im Auge und wurde deshalb 1926 aus dem Berufsverzeichnis der Rechtsanwälte entfernt. Im Oktober 1927 gelang Reut-Nicolussi die abenteuerliche Flucht nach Nordtirol dank eines österreichischen Reisepasses, bei dem das ursprüngliche Lichtbild mit dem seinen ersetzt worden war.[4]
Er wurde darauf Professor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck, wenngleich nach dem Anschluss 1938 seine Lehrtätigkeit von den Nationalsozialisten stark beschränkt wurde. Als ausgesprochener Gegner der Nationalsozialisten und Faschisten und deren Südtirolpolitik konnte er erst nach Kriegsende zum ordentlichen Universitätsprofessor ernannt werden. 1951 wurde er einstimmig zum Rektor der Universität Innsbruck gewählt, er verstarb 1958.
Bis kurz vor seinem Tod wurde er vom italienischen Innenministerium argwöhnisch beobachtet, der letzte (zugängliche) Bericht in seiner Akte ist auf den 27.2.1957 datiert.[5]



[1] https://www.parlament.gv.at/WWER/PAD_01674/index.shtml
[
2] Archivio Centrale dello Stato, IT-ACS-AS0001-0004614, busta 57 (Ctg O), Nicolussi Reut, Bericht vom 15.6.1951
[3] https://storia.camera.it/deputato/edoardo-reuth-nicolussi-18880622#nav
[4] Archivio Centrale dello Stato, IT-ACS-AS0001-0004614, busta 57 (Ctg O), Nicolussi Reut, Bericht vom 28.10.1927
[5] Archivio Centrale dello Stato, IT-ACS-AS0001-0004614, busta 57 (Ctg O), Nicolussi Reut, Bericht vom 27.2.1957

 




Bild: Prof. Reut-Nicolussi bei einer Kundgebung zur Wiedervereinigung Südtirols mit Österreich, Linz 1946 – Quelle: Bildarchiv Austria, Österreichische Nationalbibliothek







[8.4.2020 Thomas Sinha]

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