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Die Vorboten des „Marsches auf Bozen“ - die Forderungen der Faschistischen Partei an die Bozner Stadtverwaltung

Nach einem Treffen zwischen Vertretern der lokalen Sektion der Faschistischen Partei und der Stadtverwaltung von Bozen am Samstag, den 2. September 1922, stellten die eine Reihe von Forderungen bzw. Ultimaten.

In der Ausgabe vom 7. September des Piccolo Posto, einer pro-faschistischen Zeitung, wurden diese Forderungen publiziert, mit denen die Faschisten die demokratisch gewählte Stadtverwaltung in die Enge treiben wollten – der erste Punkt betraf den Rücktritt des Bürgermeisters Julius Perathoner, der seit 1895 an der Spitze der Gemeinde stand und als erklärter Antifaschist jede Zusammenarbeit mit den Faschisten ablehnte.

„Das Direktorium der Faschistischen Partei, Sektion Bozen, stellt fest, dass die Gemeindeverwaltung keinen Versuch unternommen hat, eine loyale und dauerhafte Verständigung zwischen den verschiedenen in der Stadt lebenden Sprachgruppen zu erreichen, und dass sie regelmäßig jeden Versuch zur Einhaltung des Friedens verhindert hat, indem sie immer die Interessen der italienischsprachigen Bevölkerung zugunsten der deutschsprachigen Bevölkerung und oft zugunsten von Vereinen und Parteien mit antinationalem Programmen geopfert hat, und bedauert öffentlich das Verhalten dieser Verwaltung, die nicht den Interessen der Stadt, sondern nur einem parteipolitischen und anti-italienischen Geist folgt.

In der Überzeugung, dass die Anwesenheit von Dr. Perathoner an der Spitze der Stadtverwaltung, mit dem alleinigen Ziel, die Stadt zu begünstigen, die wichtigste Ursache für die in Bozen entstandene Situation ist, erlauben wir uns, die Stadtverwaltung aufzufordern, die folgenden Punkte so schnell wie möglich zu lösen:
1) Rücktritt von Perathoner als Bürgermeister und Stadtrat
2) Preisfestsetzung für Grundnahrungsmittel, die von der Stadtverwaltung auferlegt und durchgesetzt werden
3) Auflösung der Bozner Polizei und Abstufung zu einer reinen Stadtwache
4) Zweisprachigkeit in allen öffentlichen Akten der Gemeinde und der ihr untergeordneten Organe, in allen für die Öffentlichkeit sichtbaren Beschriftungen, in allen Straßennamen, mit Vorrang der italienischen Sprache
5) Das städtische Schulgebäude in der Elisabethstraße (eines von vier, die der Gemeinde zur Verfügung stehen) soll als italienische Schule genutzt werden.
6) Zählung der Wohnungen, Beschlagnahme aller leerstehenden Wohnungen und gerechte Verteilung an bedürftige Familien
7) Verpflichtung der Gemeinde, dass an den vom Staat festgelegten Tagen die Nationalflagge nicht nur an den öffentlichen Ämtern, sondern auch an allen Hotels erster Kategorie und allen Banken gehisst wird
8) Verpflichtung der Gemeinde, auch wenn es nicht direkt von ihr abhängt, damit eine Kirche in der Stadt für Italiener zur Verfügung gestellt und italienischen Priestern anvertraut wird
9) einen Italienischkurs für alle städtischen Angestellten und Angestellten von Unternehmen, die von der Stadt abhängig sind, anzubieten, so dass sich alle Bürger innerhalb eines Jahres ab dem Datum dieses Schreibens auf Italienisch an die Verwaltung wenden können
10) Vorrang für Südtiroler Kriegsversehrte bei der Einstellung von Gemeindebediensteten.

Wir erwarten, dass Sie in kürzester Zeit die oben genannten Punkte erfüllen. Mit freundlichen Grüßen
Das Direktorium“.

Astrid Panizza

panizza.astrid@gmail.com

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