Vor 100 Jahren

Die Südtiroler und Trentiner Weinwirtschaft stand nach dem Krieg vor großen Schwierigkeiten
Foto: Fotostudio Waldmüller, 003-Bestand Fotostudio Waldmüller Interreg V, Amt für Film und Medien/Autonome Provinz Bozen – Südtirol, LAV003-C-01406-500, CC BY 4.0

Weinbau und Weinhandel in der Krise

„…dürfen da nicht nachlassen, sonst ertrinken wir im eigenen Wein.“

ie Konkurrenz der italienischen Weinbauern, der gebremste Export über die neue Brennergrenze und die schwierige Bekämpfung der Reblaus prägten die Südtiroler und Trentiner Weinwirtschaft nach dem Anschluss an Italien. Bei einer Weininteressentagung am 19. März 1923 in Trient stellten sich die Weinbauern und Weinhändler deshalb gegen die Einführung einer Weinkonsumationssteuer.

Die Bozner Nachrichten berichten in ihrer Ausgabe vom 20. März:

„Am Josefitag fand in Trient eine vom Consorzio vinicolo einberufene Versammlung der Weinbauinteressenten der Provinz Trient statt, die zu der neuen Weinsteuer (20₤ per Hektoliter) und zur Frage von Exportbegünstigungen für die neuen Provinzen Stellung nahm. Die Versammlung war seitens der Trientner Weinbau- und Weinhandelstreibenden sehr stark besucht. […] Er [der Präsident des Landeskulturrates in Trient, Catoni] erwähnte die glanzvolle Vorkriegszeit, wo 68 Prozent der Produktion zu guten Preisen ins Ausland exportiert werden konnte. Im Trentino und Südtirol zusammen war im Weinbau und in der Weinindustrie ein Kapital von etwa 250 Millionen Kronen investiert.

[…]

Drei besondere Probleme sind nun heute, angesichts der veränderten Lage, ins Auge zu fassen: Die Protektion der Regierung, die Auffindung neuer Absatzgebiete und der Wiederaufbau von den Zerstörungen der Reblaus, sowie die Verbesserung unserer Typenweine. Leider hat die Regierung den Schutz unserer Weinwirtschaft nicht genügend in die Hand genommen, da uns kein eigenes Kontingent für die alten Absatzländer bewilligt wurde. Schon deswegen hätte die Ausdehnung der hohen Weinkonsumationssteuer unterbleiben sollen. 

Die Suche nach neuen Absatzgebieten ist sehr schwierig, da ja die 40 Millionen Hektoliter der ital. Weinproduktion und die anderen Weinexportstaaten mitkonkurrieren. Aber die Organisationen und Handelskammer dürfen da nicht nachlassen, sonst ertrinken wir im eigenen Wein. Der Schutz gegen die Reblaus und der Wiederaufbau der zerstörten Gebiete ist eine vor allem die landwirtschaftlichen Institute interessierende Angelegenheit. Wenn auch nicht die Blüte der Vorkriegsjahre, so soll doch die Existenzmöglichkeit für unsere Gebiete erreicht werden. Der Weinhandel und Weinbau ist das Rückgrat unserer Wirtschaft und da müssen alle Anstrengungen, und zwar mit vereinten Kräften gemacht werden.“

[…]

Trotz der Verabschiedung eines Memorandums und einer persönlichen Besprechung mit dem Handels- und Finanzminister in Rom, vermelden die Bozner Nachrichten wenige Wochen später, am 4. April, eine „doppelte Besteuerung des Weines in unserer Provinz.“

23.03.2023 - Maria Pichler

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