Vor 100 Jahren

Feier des italienischen katholischen Jugendverbandes. Trient, 1924-1931
Quelle: Fondazione Museo storico del Trentino

„Besorgniserregende Indizien des moralischen Verfalls“

Faschismus trifft auf Katholizismus

Das Verhältnis zwischen Kirche und Regierung war im Trentino und in Südtirol mit dem Aufkommen des Faschismus ab 1922 – wie in ganz Italien – ein angespanntes. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen mit der organisierten katholischen Zivilgesellschaft, die ein besonderes Augenmerk auf die Jugendarbeit legte. Der Faschismus war bestrebt, die junge Generation von Kindesalter an zu formen, weshalb die Auseinandersetzungen mit dem Katholizismus in diesem Bereich besonders heftig waren. 

In der Ausgabe vom 29. Mai 1923 berichtet „Il nuovo Trentino“ auf seiner Titelseite über die Vollversammlung der „Federazione Giovanile Cattolica Tridentina“, auf der sich die jungen Katholiken klar gegen „besorgniserregende Indizien des moralischen Verfalls“ aussprachen:

„Die Versammlung unseres Jugendverbandes, die vorgestern im Manzoni-Saal stattfand, war wirklich sehr repräsentativ und sehr bedeutend. 

Sehr repräsentativ, weil in dieser Menschenmenge von mehr als zweihundert Delegierten, die 78 Jugendorganisationen nicht nur aus den Außenbezirken der Stadt, sondern auch aus dem Val Rendena und aus Storo, dem Basso Sarca und der Valsugana, aus dem Val di Fiemme und dem Val di Sole vertraten, in moralischer Hinsicht die gesamte katholische Jugend des Trentino präsentiert wurde. 

Sie war sehr bedeutsam, weil sie trotz der momentanen großen Schwierigkeiten einen unbestreitbaren kontinuierlichen Fortschritt in der Organisation der katholischen Jugend und eine bemerkenswerte interne Konsolidierung derselben markierte, so sehr, dass sie die besten Hoffnungen für die Zukunft rechtfertigt; […]“

Die Versammlung genehmigte eine Tagesordnung, die unter anderem folgende Ziele ausgab:

„Insbesondere gelobt sie: 

dass der Kampf gegen die Blasphemie energisch fortgesetzt und nach und nach auf den Alkoholismus, die Pornographie und andere besorgniserregende Indizien des moralischen Verfalls ausgedehnt wird;

dass auf Aufforderung der kirchlichen Verantwortlichen alle Anstrengungen unternommen werden, um die beiden Diözesanseminare zu unterstützen; 

dass angesichts der sich ständig verschärfenden Wirtschaftskrise in unserem Lande und der zunehmenden Auswanderung jeder Verein seinen nun weit entfernt lebenden Mitgliedern die bestmögliche religiöse, moralische und – soweit möglich – auch technische Hilfe zukommen lässt.“

01.06.2023 - Maria Pichler

 

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