Vor 100 Jahren

„Ihr tilgt den Namen nimmer aus“, kommentiert der Tiroler Grenzbote in seiner Ausgabe vom 18. August in Gedichtform das faschistische Verbot des Namens „Tirol“
Gemälde „Verlorene Heimat“ von Thomas Walch (Wikimedia Commons)

„…noch unsterblicher als die Völker, sind ihre Namen“

Italien verbietet den Gebrauch des Namens „Tirol“

Mit August 1923 ordnet der Präfekt von Trient Giuseppe Guadagnini das Verbot des Namens „Tirol“ an. Jede andere Bezeichnung als Oberetsch und Etschländer für die beiden italienischen Begriffe Alto Adige und Atesino ist ab diesem Zeitpunkt in Südtirol nicht mehr erlaubt. Die Tageszeitung „Der Tiroler“ erscheint ab Ende August unter dem Namen „Der Landsmann“, die Verlagsanstalt „Tyrolia“ wird zur „Athesia“. Drucksorten, Aufschriften und Ansichtskarten müssen neu aufgelegt werden. 

Die Medien im In- und Ausland berichten ausführlich über dieses Verbot, darunter die Reichspost in Wien. In der Ausgabe vom 12. August schreibt die konservative christliche Tageszeitung: 

„Die Tiroler Blätter, die in ihrem Titel den Tiroler Namen tragen, wurden in eigenen Erlässen angewiesen, ihren Titel zu ändern. In der Heimat Andreas Hofers, des Manes [sic!] vom ‚Land Tirol‘ wird also Hinkunft der Gebrauch des Namens Tirol strafbar sein. Ein drastischerer Beweis für die Versklavung der Welt durch den Kriegsausgang ist kaum denkbar. Geschichtskundige werden über die Versuche, einem Volke und Lande seinen ehrlichen, durch eine ehrwürdige Geschichte geheiligten Namen zu nehmen, freilich lächeln. Der Name Tirol bleibt der Weltgeschichte und dem Sprachschatze der Kulturvölker einverleibt trotz aller Beschlüsse und Dekrete und die Väter der letzteren sind um das Urteil, das einst die Geschichte über ihre Versuche fällen wird, nicht zu beneiden. ‚Völker sterben nicht‘ warnte Papst Benedikt die Siegesübermütigen. Noch unsterblicher als die Völker sind ihre Namen. Insoferne können die Südtiroler, in deren Land die Stammburg steht, unbesorgt sein. Aber eine grausame Kränkung eines wehrlos gewordenen Heldenvolkes bleibt der Versuch doch und ein Brandmal der Zeit, die dem Wilsonfrieden gefolgt ist und die man als eine Zeit des Selbstbestimmungsrechtes der Völker anzupreisen gewagt hatte. Es ist in Wahrheit eine Zeit der Völkerknechtung und Barbarei.“ 

 

10.08.2023 - Maria Pichler 

 

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