Vor 100 Jahren

Porträt von Antonio Salandra, Ölgemälde des Trentiner Malers Vittorio Cassetti, 1920er Jahre des 20. Jahrhunderts
Fondazione Museo storico del Trentino

Südtiroler Schule: „Nix deutsch“

Unterredungen mit italienischen Spitzenpolitikern ohne Erfolg

Im August 1924 sprachen Südtiroler Vertreter zum wiederholten Male bei italienischen Spitzenpolitikern vor, um ein Einlenken der faschistischen Regierung in Bezug auf die Unterrichtssprache an den Schulen zu erwirken. Jegliche Bemühungen bleiben jedoch ohne Erfolg. „Salandra: ‚Nix deutsch!‘“ fasste das Volksblatt in seiner Ausgabe vom 23. August 1924 einen ausführlichen Bericht über ein Treffen mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Antonio Salandra zusammen, der in Gossensass seine Sommerfrische verbrachte: 

„Der ehemalige Ministerpräsident Salandra, der seit längerer Zeit in Gossensass zur Sommerfrische weilt, wurde, wie seinerzeit die Trientner Blätter gemeldet haben, vom Unterrichtsminister Casati ersucht, die Schulverhältnisse in unserem Lande zu studieren und hierüber zu berichten.  Nach dieser Information stand zu erwarten, daß Se[ine] Exzellenz sich vielleicht auch dafür interessieren würde, die Meinung unserer Bevölkerung über diese Frage und über die Ergebnisse des ersten Schuljahres mit italienischer Unterrichtssprache kennen zu lernen. Es ist aber kein Fall in die Oeffentlichkeit gedrungen, der als Beweis dieses Interesses gelten könnte. Offenbar wartete Se[ine] Exzellenz also darauf, daß die Bevölkerung selbst ihm ihre Wünsche und Beschwerden unterbreite. 

Dieser Gedankengang war für jene Männer maßgebend, die am 18. August, vormittags, bei Exz[ellenz] Salandra deputativ vorsprachen und vom früheren Ministerpräsidenten sehr liebenswürdig empfangen wurden. […]

Exzellenz Salandra hörte sehr höflich und aufmerksam den Vortrag an, und unterbrach die Ausführungen nur einmal, als davon die Rede ging, daß unsere Bevölkerung erwartet hätte, daß man ihr mindestens die gleichen Rechte im Schulwesen einräumen würde, wie sie den Arabern in Libyen gewährt wurden, indem der ehemalige Ministerpräsident bemerkte, die Verhältnisse seien so verschieden, daß man sie nicht vergleichen dürfe und sei besser, von dieser Frage nicht zu sprechen. […]

[…] auf eines müsse er aufmerksam machen: ‚An eine Änderung des Systems dürfe nicht gedacht werden, dieses sei unabänderlich, eine Zweisprachigkeit unserer Schulen sei ausgeschlossen, die Unterrichtssprache bleibe italienisch. Alles andere werde sich mit beiderseitigem guten Willen gewiß regeln lassen und es werde dann alles gewiß zur Zufriedenheit beider Teile ausfallen.‘ […]“

In derselben Ausgabe berichtet das Volksblatt von einer Unterredung mit dem Unterrichtsminister Alessandro Casati in Rom, der nach den Forderungen nach einer Schule in der Muttersprache „sich außerstande (fühlte), diesen gewichtigen Gründen etwas anderes gegenüber zu stellen, als die offene und rückhaltlose Erklärung, daß die neue Schulreform ganz bestimmte politische Zwecke verfolge, nämlich die der Entnationalsierung der sprachlichen Minderheiten. Das Ziel des ganzen Unterrichtsplanes sei nicht etwa bloß, den Schülern und den ganzen heranwachsenden Generationen das Italienische als Mitteilungssprache beizubringen, sondern aus diesen nationalgesinnte Italiener zu machen.“

 

22.08.2024 - Maria Pichler

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