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Wertvolles Wasser
Gemeinde schließt öffentliche Brunnen in Drò
Wasser ist ein wertvolles Gut, das in der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino seit jeher einen bedeutenden Stellenwert einnimmt: in der Landwirtschaft, für die Energieerzeugung, für Heil- und Thermalquellen, aber auch für den täglichen, ganz persönlichen Bedarf. Dabei war und ist der Umgang mit diesem unersetzbaren Schatz nicht immer unumstritten, wie unter anderem ein Bericht vom 25. Juni 1924 in der Tageszeitung Il Nuovo Trentino aufzeigt:
„Das nennt man Fortschritt. Sechzehn Jahre sind vergangen, seit Drò unter der Leitung von Dr. Zanoni die neue Trink- und Brauchwasserleitung eingeweiht hat, die ausreichend gesundes Wasser liefert. Es war genau diese Fülle an Wasser, die das Dorf beim Brand zwei Jahren zuvor vor einer völligen Katastrophe bewahrte. Aber heute hat unser Präfekturkommissar die Schließung von neun, sage und schreibe neun, öffentlichen Brunnen vorgeschlagen. Die Sache ist so bedeutend, dass man sie zunächst für einen Scherz hielt, aber stattdessen sind bereits mehrere der besagten Brunnen abgestellt worden. Den anderen droht dasselbe Schicksal.
Spontan stellt sich die Frage: Was ist die Ursache für diesen ... nennen wir es, Fortschritt? Die Vermutungen gehen auseinander: Die einen meinen, es handle sich um die Reaktion eines Mimöschens, dem das Ergebnis der Wahlen nicht gefallen hat. Andere sagen: Nein, es hat vielmehr fiskalische Gründe. Der Kommissar kassiert über tausend Lire im Monat, dann gibt es einen tüchtigen Stellvertreter für Urlaubstage, von dem aber niemand erwartet, dass er aus reiner Liebe zum Vaterland arbeitet, zusätzlich zu Sekretären, Schreibkräften und so weiter. Die Gemeindekasse muss viel einnehmen, um viel geben zu können, wie ein Brunnen, der kein Wasser schüttet, wenn er nicht von einer Quelle gespeist wird. Die Steuern auf Brot sind abgeschafft worden, stattdessen soll für das Wasser bezahlt werden: das Wasser, alles klar?
Kurzum, die Kritik und die Beschwerden sind zahlreich und halten an: Die einen fluchen und die anderen lästern. Die Klugen aber raunen mit Augenzwinkern: Das ist modernster Fortschritt! Die Armen rufen: Lasst uns wenigstens das Wasser! Der Obmann des Verschönerungsvereins schweigt und überlässt es anderen … zu krähen. Es stellt sich die Frage, was wohl der Bezirksarzt dazu sagt, der so begeistert von unseren Wasserwerken war und zu Recht immer wieder die großen Worte spricht: Luft, Wasser! … Hygiene! … Sauberkeit! … Vorsorge für unsere Kinder! ...
Es ist schade, dass unser zu junger Kommissar die Bedürfnisse der Menschen nicht versteht, dass er nur eine Seite hört und dass er es immer so eilig hat. Wenn er den Staub der Romstraße auch nur eine Woche lang ertragen müsste, würde er die Brunnen vervielfachen, statt sie zu abzudrehen. Er würde es nicht verabsäumen, einem Feuerwehrmann über die Runden zu helfen, wenn dieser dafür nur einmal täglich diese Straße mit Wasser besprengen würde, die den Namen Staubstraße verdient hätte.“
Heute führt übrigens ein Themenweg durch Drò, der den historischen Brunnen der Gemeinde gewidmet ist.
27.06.2024 - Maria Pichler